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Es werden Posts vom November, 2022 angezeigt.

Bei Almans unterm Weihnachtsbaum

 Man kann Aylin Atmaca zugute halten: Mit ihrem Debütroman "Ein Alman feiert selten allein" hat sie migrantische Erfahrungen ohne Larmoyanz und erbitterte Ergüsse über die böse, böse Mehrheitsgesellschaft geschrieben, selbst die Kartoffel-Verunglimpfung hat sie unterlassen. Kritisch lässt sich anfügen, es gibt reichlich Klischees.Vor allem aber nimmt ihr humoristisch geprägtes Buch deutsch-türkische Culture clashs auf die Schippe. Für Protagonistin und Ich-Erzählerin Elif ist es Stress Pur: Sie wird das erste Weihnachtsfest mit der Familie ihres Freundes Jonas verbringen. Das heißt: Die Beziehung ist ernst! Weihnachten in Familie, das ist ja gewissermaßen das Vorspiel zu einer Verlobung, ja, kommt doch eher nach einem solchen Schritt. Es heißt aber auch: Alman-Alarm!  Denn nicht nur Jonas´ Kernfamilie, sondern der gesamte Familienclan kommt unter dem Weihnachtsbaum zusammen. Und zwar so richtig deutsch-organisiert, mit WhatsApp-Gruppe und solchen Marotten wie dem Bügeln des G

Auftragsmörderin im Herbst des Lebens

 Hornclaw wird leicht übersehen - und das ist lebensgefährlich: Denn die zierliche ältere koreanische Dame und Protagonistin in Byeong-mo Gus "Frau mit Messer" ist seit 40 Jahren eine Auftragsmörderin. Wer "Die Plotter" gelesen hat, entdeckt einen verwandten Geist, freilich ist Hornclaw, die mit ihrem scharfen Messer tötet, eher eine Killerin des intelligenten Anpirschens und nicht der brachialen Gewalt. Dennoch wird ihre Lage mit zunehmendem Alter und schwindenden körperlichen Kräften allmählich prekär, zumal ein junger, aufstrebender und genussvoll brutaler "Kollege" ihr das Leben schwer macht un alles tut, um innerhalb der die Aufträge vergebenden "Agentur" ihrem Ruf zu schaden. Hornclaw, früh verwaist und vom Leben nicht gerade gut behandelt, ist eine Frau ohne Wurzeln und Bindungen, selbst ihrer Hündin, die ihr zugelaufen ist, begegnet sie mit Distanz - so kann ein Verlust sie nicht emotional treffen. Dass in ihrem Beruf alles, was als Schwä

Ein Rabbiner als unorthodoxer Ermittler

  Zugegeben, das erste Treffen von Rabbi Henry Silberbaum und Kommissar Robert Berking stand nicht unter dem besten Stern und wies so gar nicht auf den Beginn einer wunderbaren Freundschaft hin: Schließlich glaubte der Kommissar, zu nächtlicher Stunde endlich auf die Spur derjenigen gestoßen zu sein, die immer wieder den jüdischen Friedhof in Frankfurt mit Nazi-Schmierereien entweihen. Neim Anblick einer attraktiven Frau und ihres Begleiters vermutet er zwar erstmal ein morbides Rendez-vous, doch auch hier liegt der Ermittler daneben, während schon die Handschellen klicken:  Der Mann, der sich gegen all die Unterstellungen wehrt, ist tatsächlich Rabbiner der liberalen Gemeinde.  Was Silberbaum mit der Leiterin des jüdischen Altersheim anstellt, ist allerdings weder koscher noch halachisch, zeugt aber davon, dass er vor allem "a mensz" ist, verständnisvoll und buchstäblich unorthodox. Denn zu später Stunde sollte es zu einer Familienwiedervereinigung kommen, indem über dem Gra

Von Integrationsdebatten und praktischem Alltag

 Wenn es um die Debatten zu Integration, Assimilierung, Tradition und Eigenständigkeit, Mehrheits- und Parallemgesellschaften geht, kann Musa Deli zweifellos mitreden - zum einen hat er als Sohn türkischer Migranten, der selbst erst nach Jahren den Eltern nachgezogen ist, viel praktische Lebenserfahrung. Zum anderen kennt er als Leiter des Kölner Gesundheitszentrum für Migrantinnen und Migranten viele Probleme, Reibungspunkte und gegenseitige Missverständnisse aus dem Arbeitsalltag.   Sein Buch "Zusammenwachsen" ist nicht nur ein Plädoyer für gegenseitige Akezeptanz und Dialog, es macht aich deutlich, dass es eben nicht "DEN Migranten" gibt - und dies, obwohl er sich ganz überwiegend auf die türkeistämmige Community stützt. Eine Vielzahl von anderen Gruppen mit ihren jeweiligen Heruasforderungen, Problemen und Besonderheiten ist da noch gar nicht berücksichtigt. Doch auch die türkische Community ist schließlich nicht homogen und nicht so, wie es aus der Perspektive

Schuld, Lügen und Wahrheitssuche

 Mit seinem neuen Roman "Unschuld" hat sich Takis Würger weg von Semidokumentarischem und historischen Stoffen bewegt -  und das ist gut so. Denn auch wenn der Plot sich relativ vorhersehbar bewegt und sich die Überraschungsmomente in Grenzen halten, ist die Geshichte über eine junge Frau, die versucht, ihren Vater aus der Todeszelle zu retten und den Mordverdacht gegen ihn zu entkräften, durchaus unterhaltsam. Allerdings sind die Protagonisten durch möglichs klaffende Gegensätze doch recht plakativ geraten - hier Molly, die junge Frau aus dem Wohnwagenpark einer amerikanischen Kleinstadt, die schon mit ihrem Namen Rosedale für die Dominanz einer Unternehmerfamilie steht, da eben jene Familie, die ein Beweis dafür ist, dass Reichtum und Einfluss auch nicht glücklich machen.  Mollys Vater sitzt in der Todeszelle, und die Zeit bis zu seiner Hinrichtung tippt. Molly glaubt an  die Unschuld ihres Vaters, der als Mechaniker für die Rosedales gearbeitet hat und gestanden hat, deren