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Es werden Posts vom April, 2023 angezeigt.

Leben, Liebe, Leiden

 Die meisten Leser dürften David Safier vor allem als Autor humoristischer Romane und zuletzt als Verfasser der Cozy-Krimis um die ermittelnde Ex-Kanzlerin "Miss Merkel" kennen. In seiner autobiografischen Familiengeschichte "Solange wir leben" überleben die ernsten, leisen Töne. Um David Safier selbst geht es dabei nur sehr angelegentlich, von allen Beteiligten fällt sein Bild am blassesten aus. Das Buch, das mit einer Beerdigung beginnt und mit einem letzten Abschied endet, beschreibt zudem die nicht ganz unkomplizierte Lebens- und Liebesgeschichte seiner Eltern, Joschi und Waltraud. Es ist eine Familiengeschichte, die von Verlust, Leid und Tragödien gezeichnet ist, von Kampf, aber eben auch von Liebe. Dabei sind Safiers Eltern ein denkbar unterschiedliches Paar, das ein Zufall zusammengebracht hat. Da ist zum einen Joschi, der im Wien der 30-er Jahre aufgewachsen ist in einer aus Galizien  stammenden jüdischen Familie. Das Stetl haben sie hinter sich gelassen, au

Fulminanter Trip durch die japanische Unterwelt

  Der japanische Schriftsteller Kotaro Isaka hat mich bereits vor rund zwei Jahren mit seinem fulminanten "Bullet Train" überzeugt. Manche kennen vielleicht nur den gleichnamigen Film mit Brad Pitt - der Film ist gut (wenn auch ein wenig sehr an westliches Publikum/Cast adaptiert), aber das Buch war noch einmal besser. Klar, dass ich sofort aufhorchte, als mit "Suzukis Rache" erneut ein Buch des Autors auf den deutschsprachigen Buchmarkt kam (übrigens bereits 2004 geschrieben). Meine großen Erwartungen wurden nicht enttäuscht: Auch dieses Buch ist ein literarisches Gegenstück zu Tarrantinos Filmen - stellenweise ziemlich brutal, mit schrägen Charakteren und einem zappendusteren Sinn für Humor. Nichts für zartbesaitete sensible Naturen mit großer bildlicher Vorstellungskraft, aber auch nicht ohne Sinnfragen und Tiefe, bei aller plakativer Gewalt, die hier reichlich vorkommt. Auch hier gibt es wieder reichlich Tokyo noir. Titelgeber Suzuki ist ein ehemaliger Lehrer, d

Nachtfahrten und Nachtgedanken

 Unterprivilegiert trotz Hochschulabschluss: Damani ist nach der Uni nicht in eine Karriere welcher Art auch immer eingestiegen (nach wie vor problematisch als Sozial- oder Geisteswissenschaftlerin), sondern fährt Taxi, Tag und Nacht. Ihre Mutter, bei der die bisexuelle Frau aus tamilischer Einwandererfamilie immer noch lebt, ist krank, der Vater hat sich buchstäblich zu Tode gearbeitet. Die Betreiber der Taxi-App, die Damani Fahrten vermittelt, beutet die Fahrer immer mehr aus.  Einige überlegen, sich zu organisieren und zu wehren. Damani findet das im Prinzip gut, aber tatsächlich hat sie nie Zeit. Wenn sie mal Freizeit hat, hängst sie mit Freunden in einem besetzten Industriegelände ab, das auch Zuflucht illegaler Einwanderer und Versuchsfeld für Zukunftsutopien ist, oder sie stemmt Gewichte - die perfekte Definition ihres Körpers ist für die junge Frau in Priya Guns Debütroman "Dein Taxi ist da" eine Art Ersatzreligion. So rasant und atemlos wie Damanis Fahrten auf dem nä

Kluger Beitrag zu Israel- und Antsemitismus-Debatte

 Dass das deutsch-israelische Verhältnis ein ganz besonderes ist, ist angesichts der historischen Hintergründe wenig verwunderlich: Hier der Nachfolgestaat von Nazi-Deutschland, zu dessen historischem Erbe nicht allein der Mord an sechs Millionen deutschen und europäischen Juden gehört, sondern auch die Verantwortung all jener, die vielleicht nicht gemordet, aber zugelassen und weggeschaut haben. Dort der von Holocaust-Überlebenden gegründete Staat, der von Tag Eins an um das Überleben kämpfen musste, dessen Siedlungspolitik in den besetzten palästinensischen Gebieten und Behandlung der arabischen Minderheit im eigenen Land auch in Deutschland auf Kritik stoßen.  Dazu die wiederholte Äußerung deutscher Politiker, die Sicherheit Israels sei Teil der deutschen Staatsraison. Israel fasziniert, sorgt für Kontroversen, weit weg von Gaza und Ramallah werden auch in Berlin oder Frankfurt polemische Debatten mit verhärteten Fronten pro oder gegen Israel geführt. Wie also umgehen mit einem Land