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Es werden Posts vom Juni, 2020 angezeigt.

Wenn das Ende näher rückt - Kostbare Tage

Dad Lewis weiß. es ist sein letzter Sommer in der Kleinstadt Holt, irgendwo im Mittleren Westen der USA, wo der Blick über Getreidefelder weit reicht. Kent Haroufs "Kostbare Tage" fängt mit dem Tag an, an dem der Arzt Lewis sagt, dass er nichts mehr für ihn tun kann, dass er seine Angelegenheiten regeln muss und ihm nur noch wenige Wochen zu leben hat. Den Herbst wird er nicht mehr erleben. Manche Menschen haben eine bucket list der Dinge, die sie in ihrem Leben sehen wollen, der Orte, die sie besuchen wollen. Dad Lewis, der die Kleinstadt nie verlassen hat, hat nichts dergleichen. Er hatte ein kleines, unspektakuläres Leben, mit dem er im großen und ganzen zufrieden war: Die Eisenwarenhandlung, die er aufgebaut hat und die er auch mit über 70 weiter geleitet hat, bis er eben zu krank dafür war. Zwei Kinder -  Tochter Lorraine kommt nun nach Holt zurück, um die Familie zu unterstützen. Zu Frank, dem Sohn, gibt es seit Jahren keinen Kontakt. Dass sein Sohn schwul ist, hat Da

Achtsamer Umgang mit dem mörderischen inneren Kind

Auf dem Weg zu (Selbst-) Erkenntnis und Achtsamkeit ist Rechtsanwalt Björn Diemel zweifellos schon deutlich vorangeschritten seit Kasten Dusses Roman „Achtsam morden“: Er hat sich von einer Arbeit getrennt, die ihn nur unglücklich machte, hat mit der räumlichen Trennung von seiner Noch-Ehefrau auch private Konflikte entschärft und kann sich darauf konzentrieren, ein Super-Papa für Töchterchen Emily zu sein. Na gut, zwei Mafia-Clans muss er auch noch führen, ebenso einen Kindergarten. Und dann wäre da noch der Mafiosi im Keller. Immerhin: Im Gegensatz zu früheren Zeiten keine Leiche. Björn will nicht mehr töten. So achtsam ist er immerhin. Doch ach, es kann   der Beste nicht im Frieden leben, wenn es dem verwundeten inneren Kind nicht gefällt. Das kleine, schrille Stimmchen im Ohr, das unbeabsichtigt zum jähen Ableben eines unsympatischen Kellners auf einer Almhütte führt.   Doch die Störgeräusche in Björns Unterbewusstsein hören nicht auf. Kein Zweifel, er muss mal wieder zu

Ein Drama, das sich vererbt - "Die verlorene Frau"

Frauenfiguren mit einem Leben voller Drama, eine Handlung, die Zeitebenen verwebt und die Vergangenheit die Puzzlestücke für die Rätsel der Gegenwart liefert – das prägt auch das neue Buch „Die verlorene Frau“ von Emily Gunnis. In ihrem Debütroman „Haus der Verlassenen“ ging es um das Schicksal unfreiwillig schwangerer junger Frauen in den 1960-er Jahren, diesmal ziehen sich Trauma, Gewalt und psychische Störungen durch die Generationen. Am Anfang lernt der Leser die 13-Jährige Rebecca kennen,   die im Jahr 1960   in einem Polizeirevier in einem englischen Küstenort vernommen wird.   Dabei ist das Mädchen schwer traumatisiert, denn seine Eltern sind durch eine Gewalttat ums Leben gekommen. Der Vater, ein psychisch angeschlagener und gewalttätiger Kriegsveteran, hat offenbar die Mutter getötet und dann Selbstmord begangen. Oder sollte der benachbarte Farmer seine Frau im Spiel gehabt haben? Der unsensible Polizist, der das verstörte Mädchen bedrängt, verfolgt sie in ihren Geda

Männlicher Blick, weiblicher Blick - Im Bauch der Königin

Sie wolle nicht unter dem Label Migrationsliteratur gesehen werden, sagte Karosh Taha in einem Interview. Denn als zwar im nordirakischen Kurdistan geborene, aber im Ruhrgebiet aufgewachsene Schriftstellerin schreibe sie auf Deutsch, spreche Deutsch weitaus besser als Kurdisch. Das hat sie mit ihrer Romanfigur Amal in "Im Bauch der Königin" gemeinsam. Mit dem Leben zwischen zwei Kulturen, der Migrationserfahrung der Eltern hat aber auch die zweite Generation zu tun, aus deren Sicht das Aufwachsen in einem Kiez irgendwo im Ruhrgebiet geschildert wird. Da haben einige der Freunde und Nachbarn eben noch nicht den deutschen Pass, sondern nur die Duldung, leben mit der Ungewissheit. Da gibt es eben immer noch Werte, die die Community prägen und unterscheiden, Dinge, die der "Alman" in der Clique ungestraft sagen kann, die bei einem Türken oder Kurden tabu wären. Ähnlich wie die "neuen deutschen Medienmacher" gibt es eben auch die neuen deutschen Literaten, di

Memoiren einer Aktivistin - "Black Lives Matter"

Es wäre schön, wenn Patrisse Khan-Cullors zusammen mit der Journalistin Asha Bandele in ihrer Autobiografie Rückschau auf ihr Lebenswerk halten und zufrieden Bianz ziehen könte.  Das Buch der Aktivistin ist in deutscher Fassung bereits vor zwei Jahren erschienen und sein Thema hat leider nichts an Aktualität eingebüßt. Denn Khan-Cullors ist eine der Gründerinnen der Kampagne #BlackLivesMatter. Als sie mit der Arbeit begann, war es der Schock über den Tod des 17 Jahre alten Trayvon Martin und nur wenige Monate später des 18-Jährigen Michael Brown in Ferguson. Die Männer, die sie töteten - ein "Neigborhood Watch-Angehöriger im Fall von Trayvon Martin, ein weißer Polizist im Fall von Michael Brown - gingen straffrei aus. Beide Fälle machten weltweit Schlagzahlen, brachten dem Thema institutionalisierter Rassismus breite Aufmerksamkeit. Die Bürgerrechtsbewegung hatte schon seit Jahren thematisiert: Afroamerikaner und andere Minderheiten sind überproportional unter den Insassen von

Hiergeblieben! Tipps zur Deutschlandreise im Coronasommer

"Zu Hause ist es doch am schönsten", lautet ein Lieblingsspruch derjenigen, die nicht unbedingt in die Ferne schweifen mögen. Darüber kann man diskutieren. Eines ist aber klar: Ein Urlaub im Ausland, besonders im außereuropäischen, das heißt im Sommer der Coronavirus Pandemie Regeln, Verbote, Einschränkungen. Alles so ganz anders, und hat möglicherweise gar nichts mehr von dem angestrebten Traumurlaub zu tun. Also doch in Deutschland bleiben und sehen, was sich innerhalb der Landesgrenzen an Attraktionen aufdrängt? Mit "Hiergeblieben!" von Jens van Rooij  hat das fast schon einen Befehlston. Der Leser erhält auf jeden Fall eine Reihe von  Möglichkeiten zur Auswahl, unterteilt in die Nord- und die Südhälfte Deutschlands. Insgesamt 55 Reiseziele werden vorgestellt, mit Hotel- und Restauranttips, mit Attraktionen in der Umgebung und Besichtigungsvorschlägen. Das Besondere daran: Die Fotografien deutscher Reiseziele werden internationalen Sehenswürdigkeiten gegenüberg