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Es werden Posts vom Oktober, 2018 angezeigt.

Nein - Eine Frau bricht das Schweigen

#Frauen #MeToo #USA Mutig, schmerzhaft und teilweise quälend ist «Nein». Die Erzählung einer Frau, deren Leben sich nach einer Vergewaltigung dramatisch ändert - und des Täters, der immer noch glaubt, sie habe es doch nicht anders gewollt. Mit «Nein» hat die amerikanische Schriftstellerin und Filmproduzentin Winnie M. Li einen wichtigen Beitrag zur «#MeToo»-Debatte um sexuelle Gewalt geleistet. Mit ihrem Roman über Vivian, eine Amerikanerin mit chinesischen Wurzeln, die in einem Park von Belfast von einem 15-Jährigen brutal vergewaltigt wird, dürfte sie auch ein persönliches Trauma aufgearbeitet haben. Denn auch Li wurde wie ihr literarisches Alter Ego in Belfast vergewaltigt, auch in ihrem Fall war der Täter ein 15-Jähriger aus der irischen Traveller Community. Schon wenige Wochen nach der eigenen Vergewaltigung sei der Gedanke zu dem Buch entstanden, schreibt Li in dem Nachwort. Damit entschloss sie sich zu Offenheit, wo viele Opfer einer Vergewaltigung häufig schweigen, manch

Waffenhändler und Verräter - Arne Dahls "Fünf plus drei"

#Schweden #Thriller #Spannung Es wäre vermutlich nicht schlecht gewesen, Arne Dahls vorangegangene Romane aus der Reihe “Berge und Blom” gelesen zu haben. Denn auch wenn “Fünf plus drei” ein abgeschlossener Roman ist, baut er doch auf den Ereignissen, Personen und Beziehungen der beiden ersten Bücher auf. Einiges ist selbsterklärend, bei anderem rätselt man als Neuleser denn doch über die Zusammenhänge, Beweggründe und Motive der Akteure. Ex-Polizist Sam Berger jedenfalls hat es irgendwann in einem der ersten Bücher auf die Liste der meistgesuchten Verbrecher Schwedens geschafft – für einen Mord, den nicht er, sondern ein Verräter in den Reihen der schwedischen Sicherheitspolizei begangen hat. Da die Tote obendrein eine Serienmörderin war, leuchtet mir nicht so recht ein, warum die schwedische Staatsmacht Jagd auf Berger macht. Doch als Leserin bin ich nicht die einzige die rätselt – auch Berger, seine Polizeikollegin Desiree “Deer” und Ex-Säpo-Agentin Molly Blom si

Flüchtlinge zur besten Sendezeit - "Die Hungrigen und die Satten"

Stell Dir vor, hunderttausende Flüchtlinge sind nach Deutschland unterwegs, und das Fernsehen ist live dabei. Mit „refugee-cams“, mit Kameradrohnen, mit einem Team von Autoren und Producern, die Dramaturgie und gefühlige Themen in die monatelange Liveberichterstattung bringen sollen, damit die Werbepausen weiterhin gut gefüllt sind. In „Die Hungrigen und die Satten“ passiert genau das. Nach „Er ist wieder da“ hat Timur Vermes ein bitterböse Gesellschaftssatire über Migration, Medien und Politik geschrieben .   Mitunter überzogen und reißerisch, dann wieder mit einem Humor, der auch mal in der Kehle steckenbleiben kann und einem dramatischen Finale an der deutsch-österreichischen Grenze erzählt er die Geschichte eines Flüchtlings, der in einem der größten Flüchtlingslager der Welt in Afrika für eine Doku-Soap gecastet wird. Eigentlich soll es dort um den Besuch des Reality-TV-Stars Nadeche Hackenbusch gehen, die dort als „Engel des Erbarmens“ Gutes tun soll. Für die eher unbed
#Hörbuch #Lyrik #Deutschland #Musik Man muss auch mal mit Routinen brechen - deshalb geht es hier heute nicht um das gedruckte Wort, sondern um ein Hörbuch. Bei lesejury.de gab es eine Hörrunde für "Wunderweiße Nächte" des Rilke Projekts des Komponisten-Duos Schönherz & Fleer.   Wenn es um Lyrik geht, bin ich zwar vor allem Heine-Fan und liebe die zahlreichen Vertreter der polnischen Literatur, aber auch deutsche Romantik von Rilke wird gern genommen - und das herbstliche Thema ist zu dieser Jahreszeit natürlich besonders reizvoll. Also:  Es ist dunkel, die Kerze flackert, auf dem Lieblingssessel liegt die Kuscheldecke, daneben duftet ein aromatischer Tee oder wartet ein Glas Wein - bestes Setting, "Wunderweiße Nächte" in den CD-Player zu schieben. Und dann - Augen zu und genießen.... In diesem Beitrag zum Rilke Projekt von Schönherz und Fleer geht es ganz um Herbst und Winter. Kein Wunder, dass der Grundton eher melancholisch, dunkel und ruhig ist. Die

Grausam, sinnlich, poetisch: Akwaeke Emezis "Süßwasser"

#Debütroman # Afrika #Nigeria #USA #Frauen Mit "Süßwasser" hat die nigerianisch-tamilische Autorin Akwaeke Emezi einen faszinierenden Debütroman geschrieben, der in spirituelle Traditionen Westafrikas und den Geisterglauben der Igbo eintaucht. Es ist auch eine Geschichte um die Suche nach Identität, von Spaltung und Selbstzerstörung. Ada ist ein eher schüchternes, fleißiges Mädchen aus guter Familie. Der Vater ein nigerianischer Arzt, die Mutter eine indonesische Krankenschwester, ein älterer Bruder, eine jüngere Schwester. Und wie es sich für das Mitglied einer ehrgeizigen westafrikanischen Mittelschichtfamilie gehört, wird auch sie zum Studium in die USA geschickt – für die behütet aufgewachsene junge Frau erst einmal ein Kulturschock. Sex und Drogen, für viele ihrer Mitstudenten ganz normal, sind für Ada ausgeschlossen. Da ist Asughara vollkommen anders. Sie ist sexuell geradezu aggressiv, fühlt sich dann am lebendigsten, wenn die Lust intensiv ist, die stets

Bürgerkrieg - von der Antike bis in die Gegenwart

#Geschichte #Ideen #Politik  #Konflikte Für die meisten der heute lebenden Europäer ist Krieg etwas, was weit weg ist und das sie nicht aus eigener Anschauung kennengelernt haben. Der Erste Weltkrieg liegt 100 Jahre zurück, der Zweite Weltkrieg endete immerhin vor so langer Zeit, dass die meisten, die ihn erlebten, damals Kinder waren. Mit Bürgerkriegen ist das anders - Nordirland, der Bürgerkrieg im damaligen Jugoslawien - das liegt, zumindest für die Generation der vor-Millenials, noch nicht ein Menschenleben zurück. Und auch viele der Konflikte, die heute Menschen in die Flucht treiben und denen hunderte oder tausende zum Opfer fallen - viele dieser Kriege sind zunächst einmal innerstaatlich, auch wenn zu einem Zeitpunkt global players mit im Spiel waren. Der Historiker David Armitage hat nun mit seinem Buch "Bürgerkrieg" eine Ideengeschichte dieser Art von Konflikten geschrieben, die  oft besonders grausam, besonders unmenschlich und besonders sinnlos wirken. Denn d

Schrecken und Trauma - Dan Chaons "Der Wille zum Bösen"

#Thriller #Psychologisch #USA Ein blutiges Familiendrama, ein Serienmörder, Drogensucht und Verlust: Schicksalsgebeutelt sind die Charaktere in «Der Wille zum Bösen». Dunkle Seiten haben sie fast alle. Eigentlich sind sie allesamt höchst bedauernswerte Verlierer, die Protagonisten von Dan Chaons Thriller «Der Wille zum Bösen». Die Stärke des amerikanischen Autors liegt daher auf dem subtilen Schrecken, dem Zerfall von Persönlichkeit, der zersplitterten Wahrnehmung, die neue Realitäten schafft. Das wird ganz besonders deutlich an Dustin Tillman. Der Psychologe steht im Mittelpunkt des 600 Seiten Romans und hat eine besonders dicke Ladung Schicksalsschläge abbekommen: Als er 13 Jahre alt war, wurden seine Eltern ermordet, ebenso sein Onkel und seine Tante. Seine Frau ist gerade an Krebs gestorben, sein jüngerer Sohn driftet in die Heroinsucht ab, ohne dass es der Mittvierziger wirklich bemerkt.Und dann wurde er als Kind auch noch von seinem Stiefbruder missbaucht. Nun