Bürgerkrieg - von der Antike bis in die Gegenwart

#Geschichte #Ideen #Politik  #Konflikte

Für die meisten der heute lebenden Europäer ist Krieg etwas, was weit weg ist und das sie nicht aus eigener Anschauung kennengelernt haben. Der Erste Weltkrieg liegt 100 Jahre zurück, der Zweite Weltkrieg endete immerhin vor so langer Zeit, dass die meisten, die ihn erlebten, damals Kinder waren. Mit Bürgerkriegen ist das anders - Nordirland, der Bürgerkrieg im damaligen Jugoslawien - das liegt, zumindest für die Generation der vor-Millenials, noch nicht ein Menschenleben zurück.

Und auch viele der Konflikte, die heute Menschen in die Flucht treiben und denen hunderte oder tausende zum Opfer fallen - viele dieser Kriege sind zunächst einmal innerstaatlich, auch wenn zu einem Zeitpunkt global players mit im Spiel waren.

Der Historiker David Armitage hat nun mit seinem Buch "Bürgerkrieg" eine Ideengeschichte dieser Art von Konflikten geschrieben, die  oft besonders grausam, besonders unmenschlich und besonders sinnlos wirken. Denn die Menschen, die gegeneinander kämpfen, sprechen die gleiche Sprache, leben im gleichen Land, teilen eine Geschichte. Bürgerkrieg spaltet eine Gesellschaft in "wir" und "ihr", macht den Nachbar, den Kollegen, zum Feind.

Wer die modernen Konflikte sieht, sei es in Syrien, in Somalia oder im Südsudan, mag das vor allem für ein Phänomen des 20. und 21. Jahrhunderts halten, aber Armitage greift weit in die Geschichte zurück, beschreibt, wie schon im alten Rom der Bürgerkrieg Mittel der Politik war.

Was mir vorher nicht bewusst war: Lange Zeit galten Regeln des Krieges und das, was wir später als Genfer Konventionen kannten, nur für "reguläre" Kriege. Im Bürgerkrieg - in dem zivile Opfer der Natur des Konflikts entsprechend noch deutlich wahrscheinlicher waren und sind - waren diese Schutzregeln nicht verankert. Und auch für die internationale Gemeinschaft bedeutete - und bedeutet - der Status "Bürgerkrieg" nur allzu oft, von einem internen Konflikt, von inneren Angelegenheiten eines Landes zu sprechen, in das sich internationale Staatenorganisationen nicht einzumischen habem.

"Die Wahl der Kategorie hat nicht nur politische, sondern auch moralische Folgen", schreibt Armitage. "Sie kann für zehntausende Menschen eine Frage von Leben und Tod sein, und zwar in der Regel gerade für diejenigen, die am wenigsten über ihr Schicksal bestimmen können." Etwa so wie die Tutsi während des Völkermords in Ruanda, oder die Opfer des Bürgerkriegs in Bosnien, zu deren Symbol das Schicksal der Einwohner von Srebrenica wurde.

Gerade dort, wo Armitage auf die Folgen und Konsequenzen eingeht, die das Etikett "Bürgerkrieg" haben kann, ist dies ein spannendes Sachbuch, das zum Nachdenken anregt und den Blick auf die aktuellen Entwicklungen richtet.  Nicht nur für Geschichtsinteressierte, sondern auch für alle, die sich für internationale Politik interessieren, empfehlenswert.

David Armitage, Bürgerkrieg. Vom Wesen innerstaatlicher Konflikte
Klett-Cotta, 2018
391 Seiten, 25 Euro
ISBN 978-3-608-96216-1

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