Posts

Es werden Posts vom Januar, 2021 angezeigt.

Netzspionage und Cyber-Saboteure - Der digitale Weltkrieg

 Wie bedroht ist im Informationszeitalter der Schutz der Privatsphäre? Wo mischen Geheimdienste mit mit Störmanövern und Angriffen, die Politik beeinflussen und Gesellschaften destabilisieren können? Der niederländische Investigativjournalist Huib Modderkolk ist auf Spurensuche gegangen. Wenn es um Geheimdienstarbeit geht, ist James Bond ein Dinosaurier. Dass martinischlürfende Meisterspione in rasanten Sportwagen nicht so recht der Wirklichkeit der Geheimdienstarbeit entsprechen dürften, haben Kinogänger ja schon geahnt. Doch auch ein George Smiley, in der analogen Welt des Kalten Krieges noch eine überzeugende Figur, würde heute wohl scheitern. Wenn es um Spionage geht, sind heute nicht mehr menschliche Chamäleons mit Intelligenz und Elefantengedächtnis gefragt, sondern klassische Nerds und IT-Spezialisten – und von ihnen geht derzeit auch eine solche Gefahr aus, dass der niederländische Investigativjournalist Huib Modderkolk sein Buch über Cyberspionage „Der digitale Weltkrieg, de

Von Fremdheit und Dazugehören-Wollen - Fast ein neues Leben

 Vom Leben im neuen Land und dem Gepäck des alten Landes erzählt Anna Prizkau in ihren Kurzgeschichten, die unter dem  Titel "Fast ein neues Leben" zusammengefasst sind. Mit der Ich-Erzählerin hat sie so manches gemeinsam - In Russland geboren, in den 90-er Jahren nach Deutschland gekommen, das Gefühl der Fremdheit, der Wille, dazu zu gehören, der Kampf mit der fremden Sprache, die sie sich dann zu eigen macht - immerhin ist sie Theaterautorin.  Der Preis, der für das neue Land gezahlt wird, wird eher von der Elterngeneration entrichtet - die psychischen Probleme der Mutter, der Akzent, der sich auch nach vielen Jahren nicht loswerden lässt und der der Tochter peinlich ist. Freunden verschweigt sie die Eltern und ihre Biografie. Teils geht es in den zwölf Geschichten um diese Migrations- und Fremdheitserfahrungen, teils um Disfunktionalität in der Familie und die üblichen Coming of Age-Probleme. Um unglückliche Beziehungen, Scheitern an sozialen Barrieren oder sexuelle Beläst

Nigerianisches Babydrama - Das Baby ist meins

 Den Debütroman "Meine Schwester, die Serienmörderin" der nigerianischen Autorin Oyinkan Braithwaite fand ich sofort überzeugend: Makaber, witzig, unerwartet und mit ironischen Einblicken in die Gesellschaft des westafrikianischen Landes und das Leben in der Mega-Metropole Lagos. Mit ihrem Buch "Das Baby ist meins" kehrt Braithwaite ins Lagos des Corona-Lockdowns zurück, weniger blutig, mit einem ganz anderen Thema, aber auch hier geht es um Familienbeziehungen, Loyalität und Betrug. Mit gerade mal 128 Seiten ist die Geschichte des Streits um ein süßes Baby eher eine Novella - vielleicht auch dem aktuellen Bezug geschuldet. Ich-Erzähler Bobbi  hat es mit seinen 28 Jahren nicht sonderlich eilig, sich zu binden. Zwar verbringt er den Lockdown angenehm  in dem Apartment seiner aktuellen Freundin, doch dummerweise findet sie ein paar einschlägige Textnachrichten und Fotos auf seinem Handy. Das Argument vieler afrikanischer Männer, dass eine einzige Frau einfach nicht au

Verweigerung - Justizthriller voll spannender Wendungen

  Das Geschworenensystem wie etwa in der amerikanischen Justiz ist gleichermaßen faszinierend wie erschreckend, wenn man sonst gerade bei großen Prozessen die vorherrschende Rolle von Berufsrichtern kennt. Da sind einerseits ganz normale Leute, die vielleicht andere Perspektiven in die Lebenswirklichkeit von Angeklagten haben als die Juristen, die Vorstellung der gemeinsamen Entscheidungsfindung, der Bürgerverantwortung und dass ein Angeklagter die Chance hat, von Mitbürgern be- und verurteilt zu werden.  Da ist aber auch das Risiko, dass eine Geschworenenjury nach Sympathien und Antipathien entscheidet, dass bewusste und unbewusste Vorurteile die Entscheidung prägen, auch wenn die Prozessparteien vorher versuchten, voreingenommene Geschworene auszuschließen. Die Gefahr, dass Charisma, Überzeugungskraft oder schlichtes Dominanzgebaren eines oder mehrerer Geschworener die allgemeine Meinung einer Jury für oder gegen eine Verurteilung kippen lässt. Könnte es nicht sein, dass professionel

Brexit, Verrat und doppeltes Spiel

 Vor wenigen Wochen starb John LeCarré, Altmeister des intelligenten Spionageromans. Höchste Zeit also, dass ich endlich "Federball", seinen schon 2019 erschienenen letzten Roman aus meinem Stapel ungelesener Bücher klaubte und las. Ganz klar: Auch hoch in den 80-ern schrieb LeCarré so bissig, abgeklärt und mit einer Prise britischen Humors, wie seine Leser es von ihm kennen.  Mit George Smiley und dem Spion, der aus der Kälte kam hat LeCarré schon vor Jahrzehnten Klassiker zum Kampf der Geheimdienste im Kalten Krieg geschrieben. Nun ist der Kalte Krieg ja ebenfalls schon ein paar Jährchen vorbei. Was heißt das für die alten Haudegen des "Circus"? Und wo verlaufen die neuen Frontlinien der Schlapphüte? Der überzeugte Europäer LeCarré bringt in seinem letzten Roman den Brexit ins Spiel, aber auch das unter Putin wieder mit Misstrauen betrachtete Russland und Trumps Amerika. Ich-Erzähler Nat gehört als operativer Geheimdienstmitarbeiter mit Ende 40 schon zum alten Eis

Bitterböse und traurig - die F*ck-it-Liste

 Es ist nicht ganz einfach, eine Kategorie für John Nivens Roman "Die F*ck-it-Liste" zu finden: Polit-Satire, Thriller, Drama? Wie man es aus anderen Romanen des schottischen Autors kennt, geht es ganz schön brachial und blutig zu. Doch im Gegensatz etwa zu "Kill ´em all" (das ich im vergangenen Oktober hier rezensiert habe https://nimm-ein-buch.blogspot.com/2020/10/der-bad-boy-ist-zuruck-kill-em-all.html), ist Die F*ck-it-Liste, düsterer, trauriger, ohne die an Tarrantino erinnerten Gewalt-Grotesken. Wie Leonard Cohen schon sang: You want it darker? Das gilt für dieses Buch.  Nicht nur, dass Frank Brill, ehemaliger Zeitungsredakteur einer Kleinstadtzeitung im Mittleren Westen, erfahren muss, dass er unheilbar an Krebs erkrankt ist und ihm nicht mehr viel Zeit bleibt. Der Mann hat in den vergangenen Jahren gleich mehrere schwere Schicksalsschläge überstehen müssen: Seine dritte Frau und sein jüngster Sohn kamen bei einem Schulmassaker ums Leben, seine ältere Tochter

Ein Thriller als Briefroman - hinter diesen Türen

 Das leise Grauen kann besonders eindringlich sein, dazu braucht es keine Brutalo-Szenen. Das bewahrheitet sich auch in dem Thriller "Hinter diesen Türen" der britischen Autorin Ruth Ware, in dem nichts ist, wie es scheint. Außerdem ungewöhnlich: Ihr Thriller kommt in Form eines Briefromans daher, über weite Strecken aus der Sicht einer jungen Frau, die aus der Untersuchungshaft heraus versucht, einen Anwalt dazu zu bringen, ihren Fall zu übernehmen. Der Leser weiß früh: Der angebliche Traumjob der jungen Erzieherin Rowan Caine als Kindermädchen einer sechsköpfigen Familie in den schottischen Highlands endete nicht gut. Die junge Frau sitzt wegen des Todes eines Kindes im Gefängnis. Doch um welchen ihrer Schützlinge es sich handelt, ob sie schuldig ist oder nicht, ob sie überhaupt zurechnungsfähig ist - auf all diese Informationen lässt Ware ihre Leser lange warten. Überhaupt bleibt manches Detail dann doch der Phantasie  des Lesers überlassen. Psychologische Spannung, eine d