Netzspionage und Cyber-Saboteure - Der digitale Weltkrieg

 Wie bedroht ist im Informationszeitalter der Schutz der Privatsphäre? Wo mischen Geheimdienste mit mit Störmanövern und Angriffen, die Politik beeinflussen und Gesellschaften destabilisieren können? Der niederländische Investigativjournalist Huib Modderkolk ist auf Spurensuche gegangen.

Wenn es um Geheimdienstarbeit geht, ist James Bond ein Dinosaurier. Dass martinischlürfende Meisterspione in rasanten Sportwagen nicht so recht der Wirklichkeit der Geheimdienstarbeit entsprechen dürften, haben Kinogänger ja schon geahnt. Doch auch ein George Smiley, in der analogen Welt des Kalten Krieges noch eine überzeugende Figur, würde heute wohl scheitern. Wenn es um Spionage geht, sind heute nicht mehr menschliche Chamäleons mit Intelligenz und Elefantengedächtnis gefragt, sondern klassische Nerds und IT-Spezialisten – und von ihnen geht derzeit auch eine solche Gefahr aus, dass der niederländische Investigativjournalist Huib Modderkolk sein Buch über Cyberspionage „Der digitale Weltkrieg, den keiner bemerkt“ genannt hat.

Nun findet die Arbeit von Spionen ja generell im Verborgenen statt, es sei denn, es gibt eine öffentlich zelebrierte spektakuläre Enttarnung oder eine Agentenübergabe im Stil des Kalten Krieges.  Doch Modderkolk wollte es genauer wissen: wer verbirgt sich hinter Hacker-Angriffen und Cyberspionage? Was läuft an Gegenmaßnahmen? Und welche Auswirkungen hat das eigentlich theoretisch für die Daten des Einzelnen?

Wirklich neue Entdeckungen sind hier nicht zu finden – Modderkolk berichtet über Skandale und Affären, die schon in den vergangenen Jahren Gegenstand der Medienberichterstattung waren, etwa der NSA-Skandal,  die Rolle russischer Trolle im vergangenen US-Wahlkampf,  Viren- und Malware-Angriffe im großen Stil. Wer sich schon damals für die Themen interessiert hat, findet in diesem Buch allerdings Einzelheiten zu den verständlicherweise mühsamen Recherchern in Geheimdienst- und Sicherheitskreisen. Dass Modderkolk auch in seinem Buch nicht alles schreiben kann, was er weiß, dürfte in der Natur des Themas liegen.  Einen interessanten Einblick in die langwierige investigative Recherche bekommt man durchaus.

Wie schon aus dem Titel hervorgeht, versteht Modderkolk sein Buch durchaus als Warnung. Denn selbst in der undurchsichtigen Welt der Geheimdienste scheint die Cyberspionage noch einmal hinter zusätzlichen Schichten verborgen und verschleiert – und sie wächst in einem rasanten Tempo. Hacker stünden als Cyberkrieger  unter dem Schutz ihrer jeweiligen  Regierung.  Tausende  seien mit Hilfe von Malware in Firmenrechnern in aller Welt unterwegs : „China packt Hochhäuser mit Hackern voll, um die Kronjuwelen westlicher Staaten zu rauben.“ Und sie sind nicht die einzigen.

Zwar habe es schon immer Spionage gegeben – siehe James Bond oder die kalten Krieger der Roman von John Le Carré. Nun aber gehe es nicht mehr um einzelne Spione, die als Schläfer oder von außen eingeschleust an Geheimnisse zu kommen versuchen. Vielmehr  gehe es um systematische Angriffe auf „Hunderte von Organisationen“, zitiert der Autor aus einem Geheimdienstbericht.  Es handele sich nicht mehr um Einzelfälle, sondern die Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenlebens, warnt der Autor. „Spionage kann Unternehmen in den Konkurs treiben, politische Prozesse beeinflussen und Bürger manipulieren.“

Das Dilemma bei der Abwehr solcher Angriffe, zumindest für westliche Demokratien, ist klar: Mehr Vollmachten für Geheimdienste können auf Kosten von Freiheiten der Bürger gehen. Der Weg zum Überwachungsstaat – das dürfte für viele ein zu hoher Preis vor Cyberangriffen sein. Wo autoritäre Regime keine Bedenken haben und keine Proteste fürchten müssen,  stoßen mehr Vollmachten für Sicherheitsdienste nicht nur in den Niederlanden auf Ängste und Widerspruch in der Gesellschaft.

Zum anderen – wer kann sich  das Leben ohne die Digitalisierung noch vorstellen, ohne Smartphone und soziale Medien, in denen man mit einem Klick Zugang zu den neuesten Nachrichten und Kontakt mit Freunden auch am anderen Ende der Welt haben kann? „Die Geräte, die wir täglich benutzen, nehmen uns zugleich unter Beschuss“, schildert Modderkolk das Dilemma

 

Huib  Modderkolk, Der Digitale Weltkrieg den keiner bemerkt

Ecowin-Verlag, 2020

Ca 320 Seiten, 22 Euro

ISBN 978-3-7110-0262-4

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