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Es werden Posts vom Dezember, 2023 angezeigt.

Der Traum vom großen Spiel

 Es gibt Spieler, die sind getrieben. Und es gibt solche, die aus rationalem Kalkül heraus ihren Lebensunterhalt verdienen. Fast Eddie, der Protagonist von Walter Tevis Roman "Die Partie seines Lebens" bewegt sich ein bißchen zwischen den beiden Extremen. Er ist ein Billiardspieler, der von seinen Einsätzen leben kann - doch er will den Größten schlagen, als er mit seinem Kumpel Charlie nach Chicago aufbricht und zunächst einmal heftig einstecken muss. Minnesota Fats, der scheinbar so phlegmatische Gegner, kann Fast Eddie noch einiges beibringen. Was ist es, das einen wirklich großen Billardspieler ausmacht, muss er sich fragen.  Filmfans kennen die Handlung vermutlich aus "Haie der Großstadt" mit Paul Newman. Das Buch handelt von Männerfreundschaften und Männerkonkurrenz, vor allem aber natürlich von Billard. Selbst die kurze Beziehung Fast Eddies zu einer alkoholkranken Studentin ist letztlich nur eine Randerscheinung, die Billardsalons sind eine Männerwelt, in de

Mehr Frauenleben als Zeitungsgeschichte

 Als ich "Die Unbestechliche" von Maria von Walser und Waltraud Horbas las, hatte ich mir ein Buch erwartet, in dem es auch um die Auseinandersetzung mit Frauen im Journalismus, Frauenbewegung und emanzipatorische Ansprüche ging. Das Buch, das zumindest teilweise auf den journalistischen Erinnerungen von Maria von Walser beruht, wirkte auf mich dann allerdings mehr wie ein belletristischer Frauenroman, mehr Chick Lit als Auseinandersetzung mit einer Zeit, in der Frauen in der Medienwelt eher die Ausnahme als die Regel waren und in den Redaktionen vermutlich noch deutlich mehr Macho-Sprüche und Haltungen verbreitet waren, als ich sie 20 Jahre später erlebte - und da war auch noch genug vorhanden. Gerade weil ich von Walser aus ihren Sendungen durchaus kämpferisch wahrgenommen habe, bin ich von diesem Buch ein bißchen enttäuscht. Das private Leben der halbfiktiven Protagonistin überlagert das Geschehen, der Arbeitsalltag ist von einer gewissen Beliebigkeit und auch die Vernetzu

Zukunftsszenarion mit Schwächen

 Auf ihrer Webseite weist die Autorin und Journalistin Gaia Vice gerne darauf hin, dass sie vielfach preisgekrönt ist. Ihr jüngstes Buch, "Das nomadische Jahrhundert" konnte mich allerdings nur bedingt überzeugen, auch wenn ich den Ansatz nachdenkenswert und spannend finde. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen und Zukunftsszenarien ist die Erderwärmung infolge des Klimawandels, wobei sie den pessimistischen (aber sicherlich nicht unbegründeten) Theorien folgt, dass es nicht rechtzeitig gelingt, die Erderwärmung zu stoppen. Die Folgen in bereits wenigen Jahrzehnten führen danach zu Lebensbedingungen vor allem rund um den Äquator, die Landwirtschaft, aber auch ganz normales Leben unmöglich, zumindest aber unerträglich machen. Die Zahl der Klimaflüchtlinge werde massiv zunehmen. In ihrem Buch argumentiert Vince zunächst, dass Migration seit jeher zur menschlichen Entwicklungsgeschichte gehört, gewissermaßen ein Prozess, der zu unser allem evolutionären Erbe gehört und positiv gesehe

Gut gemeinte, aber nicht gut gemachte Klimavisionen

 Die Idee hinter "Durstiges Land" von Susanne Goetze und Annika Joeres klang erst einmal richtig gut: In fiktiven Szenarien wird - auf der Basis des schon heute verfügbaren wissenschaftlichen Wissens - in Form von Kurzgeschichten gezeigt, wie die nahe Zukunft in einem von Wassermangel geprägten Deutschland aussehen könnte. Als Dystopie beziehungsweise Utopie geht es um das worst oder best case scenario, wobei nicht die Illusion geweckt wird, als sei der Klimawandel plötzlich vom Tisch, im Gegenteil, es geht darum, das Beste aus einer zunehmend schwierigen Situation zu machen. Eigentlich ein reizvoller Ansatz für alle, die sich mit dem Thema Klimawandelfolgen beschäftigen wollen, sich von wissenschaftlichen Abhandlungen aber überfordert fühlen oder einfach mit dem "Was wäre, wenn..." Gedanken spielen, der ja nun so ganz wissenschaftlich nicht ist. Zudem könnte so ein Buch auch Leser anziehen, die sich vielleicht noch nicht so intensiv mit dem Thema beschäftigt haben.

Kafkaeske Heimkehr

 "Galgenmann", der Debütroman von Maya Binyam, stellt nicht nur seinen Erzähler vor mancherlei Rätsel. Der namenlose Ich-Erzähler kehrt nach 25 Jahren im Exil zurück in das Land seiner Herkunft, um seinen sterbenden Bruder noch einmal zu sehen. Seine Reise in die fremd gewordene Heimat wird zu einer Odyssee mit surrealen, ja kafkaesken Elementen.  Der Erzähler weiß selbst nicht so recht, wie er überhaupt ins Flugzeug gekommen ist, wer seinen Koffer gepackt hat. Er hat Vermutungen, doch wirklich sicher kann er sich überhaupt nicht sein. Überhaupt scheint sich die Wirklichkeit zu verändern, während er noch über etwas nachdenkt, wie in einer Traumlandschaft bewegt sich der Emigrant, der durchgehend eher als hilfloses Objekt der Geschehnisse wirkt. Woher der Mann kommt und wohin er reist, das bleibt weitgehend offen. Die Beschreibungen legen nahe, dass er in den vergangenen 25 Jahren in den USA lebte und nun in Äthiopien lebt, dem Land, aus dem auch der Vater der Autorin in die U

Gipfeltreffen und Vermisstenfall

 Bill Clinton hat es getan, Ehefrau Hillary ebenfalls - und nun auch Katrin Jakobsdottir, die isländische Ministerpräsidentin: zusammen mit einem befreundeten Schriftsteller einen Kriminalroman geschrieben. Wobei im Fall von Jakobsdottir noch dazu kommt dass sie, im Gegensatz zu den Clintons, weiterhin amtierende Regierungschefin ist und nicht den Ruhestand zwischen Redeauftritten mit kreativem Schreiben würzt. Den Erstling "Reykjavik", der in den 1980-er Jahren während des Gipfeltreffens von Ronald Reagan und Michail Gorbatschow spielt, hat Jakobsdottir mit dem befreundeten Schriftsteller Ragnar Jonasson geschrieben. Es geht aber nicht etwa um den Kalten Krieg, sondern um einen Cold Case: Seit 30 Jahren ist die damals 15 Jahre alte Lara spurlos verschwunden. Sie arbeitete als Hausmädchen bei einem Ehepaar auf einer kleinen, nahezu menschenleeren Insel - und dann war sie plötzlich weg. Jugendliche Ausreißerin, Selbstmord oder ein Kriminalfall? Der seinerzeit unerfahrene Poliz