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Es werden Posts vom Juni, 2019 angezeigt.

Letzter Freundschaftsdienst für eine ermordete Prostituierte - "Unerhörte Stimmen"

Mit "Unerhörte Stimmen" hat die türkische Schriftstellerin Elif Shafak ein liebevolles Porträt gesellschaftlicher Außenseiter gezeichnet, Das Schicksal der ermordeten Prostituierten Leila wird zur Parabel einer kaputten und heuchlerischen Gesellschaft und ihrem Umgang mit jenen die aufgrund ihrer Sexualität, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrer "Moral" und unerhört gelten und deren Stimmen von den meisten ungehört überhört werden. Zum Beispiel Leila, die toughe, ungeduldige Sexarbeiterin, deren Leiche in einem Müllcontainer gefunden wid, buchstäblich weggeworfen wie Abfall, als sei sie nichts als Dreck. Und doch erlebt der Leser Leila als überaus lebendig, mit einem wirbelnden Gedankenstrom.  Leila ist tot, doch ihr Gehirn arbeitet äußerst aktiv, und im ersten Teil von "Unerhörte Stimmen" ist jedes Kapitel einer jener 10 Minuten (und 38 Sekunden) gewidmet, die das Gehirn einer Studie zufolge nach Eintritt des Todes noch arbeitet. Für ihre Familie ist

Kalter Krieg und doppeltes Spionagespiel - die stille Tochter

Ein Polizist mit Hang zur Selbstzerstörung, ein brutal ermordeter Ex-Politiker und Spion, der Fund einer Frauenleiche, die als ehemalige KGB-Agentin identifiziert wird:In dem Spionagethriller "Die stille Tochter" lässt Gard Sveen noch einmal die Zeit des Kalten Kriegs aufleben und schafft es dabei, den Fall trotzdem nicht wie aus der Mottenkiste der Geschichte gezogen erscheinen zu lassen. Denn auch wenn das Ende der Sowjetunion die Bedrohungslage für Norwegen verändert hat, obwohl Meisterspion "Sascha" mittlerweile seine Erkenntnisse an die einstigen Feinde verkauft hat und als "Berater" im Westen lebt, schweigt der einstige Leiter der KGB-Station in Oslo und Führunngsoffizier mehrerer Agenten über einige wesentliche Details von einst. Als ein Angler in einem See die skelettierte Leiche der einstigen DDR-Bürgerin Christel Heinze entdeckt, wird plötzlich die Vergangenheit wieder aufgerollt. Kurz nach dem Fund der Leiche wird der einstige Doppelagent Ar

Cold Case aus dem Zweiten Weltkrieg - "Unbarmherzig"

Alter Hass, über Jahre gereift und vertieft - in Ingrid Löhnigs Kriminalroman "Unbarmherzig" trifft das gleich mehrfach zu. Eine Familienfehde in einem bayerischen Dorf, die Generationen überdauert, aber auch der lang gehegte Groll auf die Polizei begegnen Gina Angelucci von der Münchner Kripo bei ihren dienstlichen Ermittlungen sowie im privaten Umfeld. Die Spezialistin für ungelöste Fälle, frisch aus der Elternzeit zurück, bekommt mit ihrem ersten Fall seit der Rückkehr in den Kripo-Dienst mit einem jahrzehntealten Altfall zu tun: Nach Bauarbeiten werden in dem idyllischen Dorf Altbruck zwei skelettierte Leichen gefunden.  Die Kommissarin hat Mühe, ihre Vorgesetzten von der weiteren Untersuchung des Falls zu überzeugen - schließlich könnten der oder die Mörder selbst schon lange tot sein. Doch die Gerichtsmedizinerin findet bei der Analyse der Knochen heraus, dass eines der Skelette zu einer Frau aus dem Baltikum gehört, das andere zu einem Mann, der nie außerhalb der Reg

Liebenswerte Sommerlektüre - "Im Freibad"

"Im Freibad" ist ein liebenswerter Wohlfühlroman über eine ungleiche Freundschaft, über einen Reifeprozess, über Gentrifizierung und Kampf für den Erhalt kleiner Dinge gegen Kommerz und reines Gelddenken, Libby Pages Debütroman mag schlicht klingen, aber ihre Figuren wachsen dem Leser schnell ans Herz. Ein wenig ähnelt dieses Buch einem modernen Großstadtmärchen - wobei das Aschenbrödel in diesem  Fall die junge Journalistin Kate ist, eine zutiefst verunsicherte und unter Panikattacken leidende junge Frau. Keine besonders günstigen Voraussetzungen zum Vorwärtskommen in einer Branche, die nicht dafür bekannt ist, ihre Leute in Watte zu packen und in der ein oft gnadenloser Konkurrenzkampf herrscht. In der Redaktion fallen für Kate denn auch nur die Art Artikel an, die eher als Textgarnitur um Werbeanzeigen benötigt werden und nicht gerade das berufliche Voirwärtskommen fördern. Bis sie auf einen eher unbeholfen gemachten Protestzettel stößt: Einwohner von Brixton wollen di

Na bitte: die Alternative zu Serienjunkies

Nun lesen sie wieder: Vor allem Kinder und junge Menschen greifen wieder zu Gedrucktem Frankfurt. Hoffnungsvolle Signale für Buchhändler, Verlage und Autoren: Zum ersten Mal seit 2012 ist die Zahl der Buchkäufer in Deutschland wieder gestiegen – und zwar um 300.000 Menschen, die im vergangenen Jahr mindestens ein Buch gekauft haben. Das sei schon eine kleine Sensation, sagte Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, bei der Vorstellung der Wirtschaftszahlen in Frankfurt. „Das ermuntert uns, von einem Wendepunkt zu sprechen.“ Mit dem Begriff Trendwende wollte er sich zwar zurückhalten – „aber wir gehen davon aus, dass wir mit den Maßnahmen, die wir noch ergreifen wollen, einiges erreichen können“. „Zurück zu den Lesern“ lautete gestern das hoffnungsvolle Motto der Veranstaltung, nachdem vor einem Jahr die Studie „Quo Vadis, Leser?“ (Wohin gehst Du?) die Lese-Abwanderung thematisiert und die Branche aufgerüttelt hatte. „Wir hab

Lecker, schnell und vielseitig aus Pfanne, Topf und Blech - die One Pot Challenge

Wo lässt sich Essen am schmackhaftesten zubereiten - aus Topf, Pfanne oder vom Blech? Das ist die Herausforderung bei der "One Pot Challenge" von Jumbo Schreiner, Martin Kintrup, Sarah Schocke, Sandra Schumann. 20 Hauptzutaten werden von den drei Teilnehmern der Challenge zu insgesamt 60 Rezepten umgesetzt und Juror Jumbo Schreiner darf dazu sein Urteil abgeben. Eines Voraus: Nicht nur Jumbo steht bei der Entscheidung vor einer Herausforderun, auch ich als Leserin war sehr angetan von den Variationen. Eines spricht schon mal für die meisten der Rezepte: Sie sind überwiegend schnell zubereitet und es fällt wenig Abwasch an bei der Beschränkung auf einen Topf, eine Pfanne beziehungsweise ein Ofenblech. Also super für Berufstätige, die nicht stundenlang in der Küche stehen wollen. Die Grundzutaten können bodenständig sein wie Sauerkraut, Linsen oder Kartoffeln,  etwas edler wie Lachs- oder Schweinefilet oder vitaminreich wie Broccoli oder Paprika. Unter den Reze

Kriegsverbrechen, Fake Identität und der Kampf um späte Gerechtigkeit "Hannah und ihre Brüder"

Ist Elliot Rosenzweig ein honoriger Bürger, Mäzen der schönen Künste und Holocaust-Überlebender, der sich in den USA äußerst erfolgreich eine Existenz aufgebaut hat - oder ist er ein Kriegsverbrecher, der sich perfide ausgerechnet als Nazi-Opfer getarnt hat, um mit seiner neuen Identität problemlos in den USA zu leben? Das ist die Frage, mit der sich die Anwältin Catherine in Ronald Balsons Buch "Hanna und ihre Brüder" befassen muss. Ihr Mandant Ben Solomon hat Rosenzweig während einer Gala öffentlich mit dem Vorwurf konfrontiert, der "Schlächter von Zamosc" gewesen zu sein. Eher unwillig übernimmt Catherine das Mandat auf Bitte ihres alten Freundes Liam. Sie ist eine vielbeschäftigte angestellte Anwältin in einer großen Kanzlei, der eher umständliche, weitschweifig erzählende 83-jährige Ben ist für sie zunächst eine harte Geduldsprobe. Doch dann packt sie der Fall, das Schicksal des alten Mannes, der überzeugt ist, dass Elliott Rosenzweig Otto Piontek ist, sein d