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Es werden Posts vom Dezember, 2018 angezeigt.

Traumatisierte Kommissarin in der Midlife-Krise muss Doggerlands "Fehltritt"-Puzzle lösen

Das ist ganz zweifellos nicht Karen Hornbys Tag. Verkatert in einem Hotelzimmer aufzuwachen, offenbar nach einem One Night Stand mit einem Mann, der obendrein ihr Chef ist. Doch während die Kommissarin ihre Sachen zusammenklaubt und dem "walk of shame" nach Hause zustrebt - wo sie ausgerechnet noch in eine Kontrolle von Kollegen gerät - ahnt sie nicht, dass es noch schlimmer kommen kann an diesem Wochenende. Mit einem lädierten Magen zu einem Mordschauplatz gerufen zu werden, ist schon mal nicht schön. Handelt es sich bei dem übel zugerichteten Mordopfer obendrein um die Ex-Frau besagten Chefs, kann es wohl kaum schlimmer kommen. Ein ziemlich furioser Auftakt für eine neue Reihe der schweidischen Autorin über eine – buchstäblich – durch ihre Midlife-Krise schwankende Ermittlerin. Mit der Inselgruppe Doggerland hat sie einen fiktiven Schauplatz gewählt, nämlich eine einst im Meer versunkene Inselgruppe zwischen Skandinavien und den Britischen Inseln. Im Roman nat

Diplomatisches Doppelleben und Wettlauf gegen die Zeit - Vier Tage in Kabul

Ein hochrangiger Diplomat, der ein Doppelleben führt, versuchter Heroinschmuggel und eine Entführung in einem der gefährlichsten Länder der Erde – über Langeweile kann die schwedische Kriminalkommissarin Amanda Lund an ihrem Einsatzord Kabul wirklich nicht klagen. Eigentlich ist die Spezialistin für Verhandlungen mit Geiselnehmern in Afghanistan stationiert, um bei der Ausbildung lokaler Sicherheitskräfte zu unterstützen, doch nach der Entführung zweier schwedischer Diplomaten hat die Rettung ihrer verschleppten Landsleute erst einmal höchste Priorität. Das ist der Auftakt von Anna Tells Thriller “Vier Tage in Kabul” und laut Klappentext zugleich der Auftakt einer Reihe über Amanda Lund. Tell ist selbst Polizeibeamtin, kann laut Verlagsangaben auf Militärerfahrung und Auslandseinsätze zurückblicken – das merkt man auch dem Text an. Denn Tells Protagonistin unterscheidet sich wohltuend von testosterongeschwängerten schießfreudigen Actionhelden, die zwischen wilden Verfolgungsjagd

Traumatische Tropen - als Feldforscher bei den Dowayos

Zugegeben, so ga nz taufrisch ist Nigel Barleys Buch “Traumatische Tropen. Notizen aus meiner Lehmhütte” über die Feldforschungs-Erlebnisse eines jungen britischen Ethnologen im Norden Kameruns nicht. Ursprünglich 1986 veröffentlicht, erschien im vergangenenen Jahr eine neue Auflage, in der noch nicht mal die DM-Angaben in Euro umgerechnet wurden – möglicherweise, weil die Lektoren es lieber gar nicht erst darauf ankommen lassen wollten, sich auf die Entwicklung von Inflation und Kaufkraft in Kamerun und den passenden Relationen in Euro oder Pfund einzulassen. Das ist aber auch völlig egal, denn den Kulturschock, auf den sich Nigel Barley eingelassen hat, dürften Feldforscher in so ausgesprochen ländlichen Regionen Afrikas auch im 21. Jahrhundert überall dort erleben,wo sie sich weitab städtischer Gegenden mit Mobilnetz und Fernsehempfang bewegen. Und so manches Abenteuer des Autors mit Behördenwillkür, Nepotismus, Korruption und einer Mischung aus Fatalismus und überhöhten

Ein Thriller voll Blut und Düsternis - "Die Plotter"

Es gibt Kritiker, die Un-Su Kim bereits als den koreanischen Henning Mankell bezeichnen. Zwischen Skandinavien und Ostasien liegen geografisch und kulturell zwar Welten – aber mit seinem Krimianthriller “Die Plotter” hat Un-Su Kim in der Tat einen großartigen Roman geschrieben, der so dunkel und düster, zugleich aber auch literarisch ist wie bei den besten Vertretern des Scandinavia Noir-Genres. Dunkel, sehr dunkel und sehr blutig geht es zu in “Die Plotter”. Wie könnte es auch anders sein, denn die Hauptfigur Raeseng ist ein Auftragsmörder, Ziehsohn eines Meister-Plotters. Der Junge, der in einer Mülltonne gefunden wurde und in einer Bibliothek aufwuchs, beging seinen ersten Mord im zarten Alter von 17 Jahren und wundert sich als nunmehr 32-Jähriger, dass er überhaupt so lange überlebt hat. Denn die Plotter, die die Morde im Auftrag von Regierungen, Geschäftsleuten oder Kriminellen genauestens planen, geben ihren Killern mit dem Auftragsordner nicht nur genaueste Information

Eine Liebe zwischen Krieg und Schreibmaschine - "Hemingway und ich"

Wenn junge, ehrgeizige Journalistinnen, die sich auch zur Kriegs- und Konfliktberichterstattung hingezogen fühlen, nach weiblichen Rollenvorbildern in der viele Jahre doch von Männern dominierten Szene suchen, taucht früher oder später der Name Martha Gellhorn auf. Was hat sie nicht alles gemacht, damals noch als eine der ganz wenigen Frauen – im spanischen Bürgerkrieg war sie dabei und bei der Landung der Alliierten in der Normandie, im sowjetisch-finnischen Winterkrieg, später auch in vielen anderen Konflikten nach dem Zweiten Weltkrieg. Nun hat Paula McLain ihr ein Buch gewidmet. Schon der Titel “Hemingway und ich” macht allerdings deutlich, dass es nicht nur um die Biografie der Kriegsreporterin Gellhorn geht, sondern ganz besonders um die intensive, konfliktreiche Liebesbeziehung mit dem Schriftststellerkollegen Ernest Hemingway und dem Ringen der Romanautorin Gellhard, als eigenständige Autorin wahrgenommen zu werden, nicht als die Geliebte und spätere Ehefrau Nummer Dr

Rockerkriege und Neonazis - ein Schwedenkrimi in den besten Kreisen

Mit “In den besten Kreisen” hat Mats Olsson einen Schwedenkrimi in der besten Tradition von Kriminalliteratur mit aktuellen gesellschaftspolitischen Bezügen geschrieben. Merke: Es gibt nicht nur Stieg Larssen und die “Millenium” Reihe. Auch Olsson ist Journalist, und auch sein Erzähler Harry Svensson hat lange als investigativer Journalist gearbeitet. Den Jagdinstinkt nach einer guten Story verspürt er immer noch, auch wenn er mittlerweile eine Kneipe besitzt und dem stressigen Medienalltag den Rücken gekehrt hat. So völlig stressfrei läuft es dann aber doch nicht, als erst ein verschrecktes, traumatisch verstummtes Mädchen mitten in der Nacht vor Harrys Tür steht, offenbar verfolgt von zwei Männern. Die Kleine will nicht reden, und Svensson weiß keinen anderen Rat, als das Mädchen bei seinem alten Kumpel Arne unterzubringen und erst einmal zu recherchieren. Auch wenn der Ex-Reporter lange Zeit nicht durchblickt, stößt er in der schwedischen Provinz auf ein paar Merkwürdigkeit

Sprache der Tiere - sind sie wie wir?

In Wissenschaftlerkreise dürfte “die Sprache der Tiere” dem Verhaltensforscher Karsten Brensing einige Skepsis und verhaltene Reaktionen eintragen – umso mehr, da er in seinen Verweisen nicht nur auch Fachlektüre und Forschungsarbeiten, sondern auch auf youtube-Links verweist. Tierbesitzer, auf der anderen Seite, könnten sich verstanden fühlen, wenn Brensing eine “Vermenschlichung” von Tieren fordert – also etwas, was sich so gar nicht mit dem objektiven wissenschaftlichen Ansatz zu vertragen scheint, Dass Menschen und Tiere sich in vielem ähnlich sind, dass es Persönlichkeiten und ausgesprochen soziales Verhalten gibt, das hat auch schon Carl Safina in seinem Buch “Die Intelligenz der Tiere” beschrieben. Er blieb dabei aber noch einen Schritt hinter Brensing zurück, wollte nichts ausschließen, aber ein “die sind wie wir” kam ihm dann doch nicht auf die Buchseiten – und das, obwohl er sich auf Langzeitbeobachtungen von Elefanten, Wölfen, Delfinen und Walen beschränkt hatte. Bei

Abschottung - über Mauern und Abgrenzung

Es ist noch keine 30 Jahre her – plötzlich fiel die Berliner Mauer, das Brandenburger Tor war offen, die Scorpions besangen den “Wind of Change” und quer durch Europa fielen die Grenzzäune des Kalten Krieges. Wer zwischen den Schengen-Staaten durch Europa reist, merkt kaum noch, wann eine Staatsgrenze überschritten wurde. Grenzen und Abgrenzung – alles eine historische Altlast? Keineswegs, denn während US-Präsident Donald Trump seine Mauer an der Grenze zu Mexiko noch nicht hochgezogen hat, stehen an vielen Stellen Grenzzäune. Ungarn, ausgerechnet das Land, das 1989 den Stacheldraht einfach ignorierte und Menschen aus der DDR die gefahrlose Ausreise in den Westen ermöglichte, hat wieder neuen Stacheldraht gegen Flüchtlinge hochgezogen, sieht sich angesichts der vor allem aus Syrien und anderen Krisenstaaten des Nahen Ostens flüchtenden muslimischen Menschen als Verteidiger des christlichen Abendlands. Und dass es nicht mehr Mauern an anderen europäischen Grenzen gibt, h

Gebrauchsanweisung für Namibia - Afrika mit einem deutschen Touch

Mit “Gebrauchsanweisung für Namibia” hat Dominik Prantl ein Buch für Afrika-Neugierige und -Reisende geschrieben und zugleich einem Land seine Hommage erwiesen, dass für ihn, wie er auf seiner Webseite schreibt, bei allen Reisen auf dem Kontinent etwas besonderes ist. Bei deutschen Touristen jedenfalls erfreut sich Namibia jedenfalls seit Jahren großer Beliebtheit. Schließlich gilt das Land einerseits als “Africa light” - die Kriminalitätsrate liegt auch in den Städten weitaus unter dem, was in Johannesburg oder Nairobi gang und gäbe ist. Für diejenigen, die als Selbstfahrer mit dem Englischen fremdeln, kann das nach wie vor verbreitete deutsche Element – und deutschsprachige Safari-, Lodge- und Farmstay-Anbieter – beruhigend sein. Und selbst dort, wo Prantl vor Gefahren warnt, etwa Unfallgefahren, scheint das Land im Südwesten Afrikas berückend harmlos. Da scheint eher die Weite und nachlassende Konzentration das Problem zu sein als der Killerinstinkt von Truckern und

Codename Eisvogel - Aufstieg eines KGB-Lockvogels

Was wäre, wenn…? Wenn der Mann, der zum mächtigsten Mann der Welt werden würde, nicht nur eine allseits bekannte Neigung zu schönen jungen Frauen, gerne auch Models hat, sondern wenn der KGB diese Schwäche ausgenutzt hat? In „Codename Eisvogel“ stößt Klatschjournalistin Grace auf die Story ihres Lebens. Es ist allerdings auch eine Story, die sie leicht das Leben kosten könnte…. Eine Journalistin, ein Pornostar und ein brisantes Interview – so startet „Codename Eisvogel“ und wer denkt nicht sofort an den aktuellen Bewohner des Weißen Hauses, wenn Pornodarstellerin Violet über ihr Techtelmechtel mit dem Mann berichtet, der in wenigen Wochen die US-Präsidentenwahl gewinnen könnte. Boulevardjournalistin Grace, die ihren Job für ein Klatschmagazin hasst und gerne seriösen Journalismus betreiben würde, sieht ihre Chance, die lahmliegen Karriere zu pushen. Zu dumm, dass der Verleger ihrer Zeitung den Kandidaten unterstützt. Die Story werde zwar gekauft, doch keine Zeile gedru

Der neue Antisemitismus - wichtiges Buch zur richtigen Zeit

Mit „der neue Antisemitismus“ hat Deborah Lipstadt ein wichtiges Buch zur richtigen Zeit geschrieben. Vermutlich wäre es der Holocaustforscherin, die sich auch vor Gericht mit Geschichtsfälschern und Holocaust-Leugnern auseinandergesetzt hat, lieber gewesen, es bestehe kein Anlass zu diesem Buch. Doch nicht nur Anschläge auf jüdische Einrichtungen in den USA und in Europa, zuletzt in Pittsburgh, machen das Buch buchstäblich brandaktuell. Auch in Deutschland ist „Du Jude“ auf vielen Schulhöfen als Schimpfwort zu hören. Beratungsstellen alarmieren – antisemitische Angriffe, ob in Worten oder Taten, nehmen auch an Schulen wieder zu. Was ist Antisemitismus, wo kommt er her, wo ist er auf der rechten oder auf der linken Seite des politischen Spektrums zu finden? Ist Kritik an Israel antisemitisch, oder wird der Antisemitismus-Vorwurf in der Debatte etwa um die israelische Siedlungspolitik gewissermaßen als Totschlagsargument benutzt, um Kritiker zum Schweigen zu bringen? Lipst