Traumatische Tropen - als Feldforscher bei den Dowayos
Zugegeben, so ga nz
taufrisch ist Nigel Barleys Buch “Traumatische Tropen. Notizen aus
meiner Lehmhütte” über die Feldforschungs-Erlebnisse eines jungen
britischen Ethnologen im Norden Kameruns nicht. Ursprünglich 1986
veröffentlicht, erschien im vergangenenen Jahr eine neue Auflage, in
der noch nicht mal die DM-Angaben in Euro umgerechnet wurden –
möglicherweise, weil die Lektoren es lieber gar nicht erst darauf
ankommen lassen wollten, sich auf die Entwicklung von Inflation und
Kaufkraft in Kamerun und den passenden Relationen in Euro oder Pfund
einzulassen.
Das ist aber auch
völlig egal, denn den Kulturschock, auf den sich Nigel Barley
eingelassen hat, dürften Feldforscher in so ausgesprochen
ländlichen Regionen Afrikas auch im 21. Jahrhundert überall dort
erleben,wo sie sich weitab städtischer Gegenden mit Mobilnetz und
Fernsehempfang bewegen. Und so manches Abenteuer des Autors mit
Behördenwillkür, Nepotismus, Korruption und einer Mischung aus
Fatalismus und überhöhten Erwartungen dürfte sich auch heute noch
so oder ähnlich ereignen. Mir kam jedenfalls vieles sehr vertraut
vor – auch ohne irgendeine Kenntnis der Dawoyos., jenes kleinen und
zumindest damals noch sehr unsprünglich lebenden Volkes, unter dem
Barley seine Lehmhütte baute – beziehungsweise bauen ließ.
Im Originaltitel
“The innocent anthropplogist” klingt ein bißchen was von Mark
Twains Klassiker “Innocents abroad” mit, und so wie einst
amerikanische Touristen mit Europa fremdelten, durchlebt auch der
junge Feldforscher seinen Kulturschock. Das ist höchst vergnüglich
zu lesen, spart Nigel Barley doch auch nicht mit angelsächsischer
Selbstironie und nimmt vorgefertigte Meinungen über Kolonialismus
und afrikanische Kultur ebenso auf die Schippe wie die doch eher
spezielle afrikanische Ausprägung von Bürokratie und Beamtenwillkür
und unwillige Diplomaten, die taube Ohren angesichts der Nöte ihres
forschenden Landsmanns haben..
Feldforschung, das
wird dem Leser schnell klar, ist Afrika auf die harte Tour. Da gibt
es nicht Strand oder Safari mit kühlen Drinks bei schöner Aussicht,
sondern allerhöchsten Hirsebier und eher eintönige, wiederum
hirselastige Kost. Während sich der Forscher bemüht, die Kultur der
Dawoyos zu begreifen, ist er für seine Gastgeber nicht weniger ein –
mitunter lächerlich erscheinendes Studienobjekt. Zwischen
haarsträubenden Unfällen, Hepatitis und Malaria kann niemand
behaupten, dass es der Ethologe an Einsatz fehlen lässt.
Zugegeben, es sind
schon ganz besondere Erfahrungen, die Barley als Ethnologe macht.
Denn das Leben der Dowayos ist noch einmal anders als das von
Dorfbewohnern, die zwar weder Elektrizität noch eine großartige
Infrastruktur haben, deren Lebensweise aber nicht so grundlegend
anders ist als die europäischer Bauern Anfang des letzten
Jahrhunderts. Als sogenannter primitiver Volksstamm sind sie auch
unter den Kamerunern ein Völkchen für sich, mit Regenzauberern und
Riten, die sich der Forscher mühsam zu erschließen versucht. Mit
touristischen Besuchen in Massai-Dörfern oder im Omo Valley, die bei
manchen Touristen so beliebt sind, hat das nichts, aber auch gar
nichts zu tun.
Die ethnologischen
Abenteuer haben jedenfalls hohen Unterhaltungswert. Barley
beschreibt die Dowayos weder respektlos oder übergeblich, noch durch
die rosarot verfärbte Brille als “edle Wilde”. Menschlich,
allzu menschlich ist es eben allerorten – ob nun im afrikanischen
Großstadttrubel oder im Busch.
Nigel Barley,
Traumatische Tropen. Notizen aus meiner Lehmhütte
dtv 2017
ca 250 Seiten, 10,90
Euro
ISBN
978-3-423-12399-0
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