Posts

Es werden Posts vom Oktober, 2023 angezeigt.

Ungewohnter Blick auf die chassidische Welt

 Mit ihrem Debütroman "Shmutz" präsentiert Felicia Berliner einen ungewöhnlichen Blick auf die chassidische Gemeinschaft ultraorthodoxer Juden in den USA. Denn ihre Protagonistin und Ich-Erzählerin Raizl verbindet tiefe Religiösität mit Pornosucht. Die 18-jährige, die mit ihrer Familie in Brooklyn lebt und dank eines Collegestipendiums einen Laptop hat, der ansonsten als völlig "treif" gelten würde, schaut nacht für nacht Porno-Videos - stets mit ausgeschaltetem Ton, um nicht die kleine Schwester zu wecken, mit der sie sich ein Zimmer teilt.  Raizl findet eigene, jiddische Ausdrücke für das, was sie sieht, entdeckt ihren eigenen Körper und seuxelles Verlangen, wobei für sie gleichzeitig klar ist, dass ihre Jungfräulichkeit erst in der Hochzeitsnacht aufgegeben wird. Doch wie wird er sein, der Ehemann in einer arrangierten Heirat innerhalb der chassidischen Gemeinschaft? Raizl ist hin- und her getrieben zwischen Sehnsucht und Angst. Da sie sich so sehr gegen eine &qu

Gerichts-Allerlei von der Zuschauertribüne

Dass es durchaus glücken kann, wenn Literaten oder Philosophen Zeugen und Dokumentare harter Wirklichkeit oder spektakulärer Prozesse werden, hat "V13" über den Bataclan-Prozess gezeigt. Die Perspektive eines Außenseiters, der nicht professioneller Zeuge oder Beteiligter von Gerichtsverfahren hat, kann ein frisches Element hereinbringen, ist zudem nicht an die tagesaktuelle Berichterstattung gefesselt. Mit "Laufendes Verfahren" hat sich die österreichische Autorin Kathrin Röggla den Münchener NSU-Prozess vorgenommen und damit das bisher längste Staatsschutzverfahren der bundesdeutschen Geschichte, zudem über eine Terrorserie, die auch für ein Versagen - und rassistische Augenblenden - bei Polizei und Verfassungsschutz stehen. Da könnte doch eigentlich nichts schiefgehen? Kann es aber doch. Zwar wurde Röggla für dieses Buch für den Deutschen Buchpreis 2023 nominiert. Und sprachlich-stilistisch, als Dauerwortspiel und Verwendungsmarathon des Futur 2 mag das ja auch se

Kalifornische Jugend in den 80-ern

 Der Klappentext von Tamar Halperns Roman "California Girl" schien wie eine Einladung zurück in die 80-er Jahre zu sein, um die 14-Jährige Protagonistin Timey zwischen Teenager-Trotz, Selbstentdeckung und Erwachsenwerden zu begleiten. Also auch eine Rückkehr zur eigenen Jugend, das hat mich gereizt. Schließlich hatten die 1980-er noch einiges mehr zu bieten als Fönfrisuren und modische Verirrungen wie Blusen mit massiven Schulterpolstern und Karottenjeans! Das Leben eines Scheidungskindes in Kalifornien, zwischen der künstlerischen Hippie-Mutter inLos Angeles und dem Professoren-Dad in Berkely schien eine interessante Kulisse. Allerdings, auch wenn mir der rotzig-schnodderige Stil der Ich-Erzählerin gefällt, ihre Befremdung, wenn sie sich mit der Tatsache abfinden muss, dass ihre Grufti-Eltern noch sexuelle Gefühle haben, die Suche nach Freundschaften und Identität - irgendwie ist mir Timey fremd geblieben beim Lesen.  Rassismus, Sexismus, Kritik an Oberflächlichkeit und mehr

Bitterböser L.A. Roman - wenn Geld und Macht alles sind

 Wahrheit ist immer etwas, was man in der Wahrnehmung gestalten kann. Das jede nfalls ist die Erfahrung von PR-Spezialistin Mae Pruett, zuständig für die Krisenkommunikation der Schönen, Reichen und Berühmten. Als sie aus dem Mittleren Westen nach Los Angeles gekommen ist, führte ihr Weg sie nach Hollywood, wenn auch etwas anders als bei den vielen, die nach Leinwandruhm streben. In Jordan Harpers Roman "Alles schweigt" ist Mae diejenige, die Probleme zurecht biegt - mit der Exklusivnews für gefügige Journalisten, mit viralen Social-Media-clips, die Alkohol- oder Drogenausfälle ihrer Klienten in Vergessenheit geraten lassen. Illusionen über ihre Arbeit hat sie längst nicht mehr, aber das Geld, das sie bei dem "Ungeheuer" verdient, ist gut. Und das Ungeheuer ist nicht nur die Firma, für die Mae arbeitet, es ist das ganze System, in dem jede Schweinerei zum Verschwinden gebracht werden kann, wenn man nur die richtigen Leute kennt.  Als ihr Mentor und direkter Vorgeset