Kalifornische Jugend in den 80-ern

 Der Klappentext von Tamar Halperns Roman "California Girl" schien wie eine Einladung zurück in die 80-er Jahre zu sein, um die 14-Jährige Protagonistin Timey zwischen Teenager-Trotz, Selbstentdeckung und Erwachsenwerden zu begleiten. Also auch eine Rückkehr zur eigenen Jugend, das hat mich gereizt. Schließlich hatten die 1980-er noch einiges mehr zu bieten als Fönfrisuren und modische Verirrungen wie Blusen mit massiven Schulterpolstern und Karottenjeans!

Das Leben eines Scheidungskindes in Kalifornien, zwischen der künstlerischen Hippie-Mutter inLos Angeles und dem Professoren-Dad in Berkely schien eine interessante Kulisse. Allerdings, auch wenn mir der rotzig-schnodderige Stil der Ich-Erzählerin gefällt, ihre Befremdung, wenn sie sich mit der Tatsache abfinden muss, dass ihre Grufti-Eltern noch sexuelle Gefühle haben, die Suche nach Freundschaften und Identität - irgendwie ist mir Timey fremd geblieben beim Lesen. 

Rassismus, Sexismus, Kritik an Oberflächlichkeit und mehr Schein als Sein in der Glitzerstadt L.A., das wurde immer wieder mal angedeutet und doch zu wenig thematisiert. Rebellion fällt eher schwach aus, nämlich vor allem durch reichlich Kiffen. Klar, eine Jugend in Südkalifornien, das war wohl etwas anderes als in der Bundesrepublik zwischen Nato-Doppelbeschluss, Friedensbewegung und Anti-Atomkraft-demos, einer politischen Zeit in der letzten Phase des Kalten Krieges. Es waren die Reagan-Jahre - da muss Timey in ihrem durchaus politisierten Elternhaus doch irgendwas mitgekriegt haben! Ganz zu schweigen von AIDS, der Angst vor dem Virus, die auch das sexuelle Erwachen einer ganzen Teenagergeneration überschattete. 

All das habe ich in "California Girl" nicht gefunden, all das fehlt mir. Möglicherweise bin ich mit falschen Erwartungen an dieses Buch herangegangen und deshalb ein wenig enttäuscht. Eine Zeit, die ich als geschärft und intensiv in Erinnerung habe, verwabert hier in Haschischwolken. Im Vergleich zu einigen anderen Coming of Age-Romanen, die ich in jüngster Zeit gelesen habe, hinkt California Girl hinterher. Zwischendurch allerdings blitzen Möglichkeiten auf, die mehr versprechen. Dieser Roman ist Halperns Debüt. Ich hätte mir mehr gewünscht, aber ich glaube, bei der Autorin ist durchaus noch mehr drin. 


Tamar Halpern, California Girl

Diogenes 2023

304 Seiten, 23 Euro

9783257072549

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