Posts

Es werden Posts vom November, 2019 angezeigt.

Episch, gewaltig, meisterhaft / Olga Tokarczuks "Jakobsbücher"

Um es gleich mal vorwegzunehmen: "Die Jakobsbücher", Olga Tokarczuks kurz vor der Nobelpreisverleihung auf Deutsch erschienener Roman, ist kein Buch, dass man mal eben so nebenbei liest. Das liegt zum einem am Umfang - fast 1200 Seiten. Es liegt aber auch am Inhalt, der den Lesern Zeit, Konzentration und mitunter Geduld für viele Erzählstränge und Handlungsträger abverlangt. Wer sich darauf einlässt, wird belohnt. "Die Jakobsbücher" ist episch, ein gewaltiger historischer Roman voll mit Reflektionen über Nationen und Grenzen, über Religion und Mystik, über enge Welten und große Geister. Von Rohatyn in der heutigen Westukraine bis nach Offenbach führt dieser große Roman über Jakob Frank, der als "Luther der Juden" galt - für die einen ein Ketzer und Scharlatan, für die anderen ein Messias, ein Mann, der Religionen und Nationalität wechselte, der faszinierte und abstieß. Nur wenige Tage nach Bekanntgabe des Nobelpreises sagte Tokarczuk, am meisten sei si

Und Altruismus lohnt sich doch? "Kumpel & Komplizen"

"Jeder ist sich selbst der nächste..." Das trichtern schon besorgte Eltern ihren Kindern ein, wenn sie Durchsetzungsvermögen fördern und vermeiden wollen, dass der Nachwuchs in Kindergarten oder Schule untergebuttert wird und den Kürzeren zieht. Ein gesunder Egoismus wird da eher als förderlich angesehen. Und hatte nicht schon Darwin das "Survival of the fittest" als eine der Regeln bei der Entstehung der Arten ausgemacht? Das, so Volker Arzt in seinem Buch "Kumpel und Komplizen. Warum die Natur auf Partnerschaft setzt", bedeutet aber eben nicht, dass der Stärkste überlebt (und seine Gene weitergibt), wie es in der deutschen Lesart von "Survival of the fittest" immer heißt. Vielemehr handele es sich um das Überleben des am besten an die jeweiligen Bedingungen angepassten - und das müsse partnerschaftliches Verhalten, gegenseitige Hilfe oder Altruismus überhaupt nicht ausschließen. Doch wann sind Wesen partnerschaftlich, und inwiefern ist Hilf

Motti, die Liebe und die Mame - Liebesleiden mit Mutterwitz

Motti ist 25, lebt noch immer zu Hause und hat noch nie mit einer Frau geschlafen. Dafür soll er heiraten, und zwar dalli. Leider hat der Frauen durchaus zugeneigte schüchterne Wirtschaftsstudent aus Zürich bei der Wahl der Frau fürs Leben herzlich wenig mitzureden, seine resolute Mutter dagegen führt das große Wort und präsentiert eine Kandidatin nach der anderen, die so drall und fromm sind wie sie selbst. So sehr Motti seine Mame auch liebt - er will nicht mit ihrem Alter Ego verheiratet sein. Konflikte sind da fast schon vorprogrammiert. Denn Motti Wolkenbruch, eigentlich Mordechai, ist das Nesthäkchen einer frommen jüdisch-orthodoxen Familie. Er pendelt zwischen zwei Welten - dem modernen Unibetrieb, an dem er zwangsläufig mit den Gojim zu tun hat, und die Welt der Schabbatessen, der jüdischen Gemeinde und einer Atmosphäre, in der Nestwärme und Kontrollzwang ziemlich nahe beieinander liegen. Der sanftmütige Motti will keinen Ärger, doch er will echte Liebe, nicht religiös-korrek

Lauter Einzelfälle? - "Extreme Sicherheit"

Nach der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke kamen schnell Stimmen auf, ob die Tat mit politischen Äußerungen des Politikers zur Aufnahme von Flüchtlingen in Zusammenhang stehe. Offiziell zumindest wurde abgebremt: Die Ermittlungen liefen in alle Richtungen, hieß es, zumindest laut öffentlichen Stellungnahmen wurde das private Umfeld abgetastet. Als dann schließlich ein Mann mit rechtsextremer Vergangenheit  als mutmaßlicher Tatverdächtiger festgenommen wurde, wurden Fragen nach rechtsextremen Netzwerken ebenfalls zunächst ins Reich der Spekulationen verwiesen. Die Informationen über die Ermittlungsfortschritte sind zwar nach wie vor spärlich, doch mittlerweile scheint immerhin bestätigt, dass der mutmaßliche Mörder zumindest Kontakte zu anderen gehabt hat. Der - öffentliche - Umgang mit dem Fall Lübcke ist kein Einzelfall. Sicher,  Ermittler werden sich immer mit Informationen zurückhalten, schon mit Blick auf ein künftiges Strafverfahren und die Überführung v

Mehr als die Welt der Kokain-Kartelle - "Die Kosmetikerin"

Kosmetik statt Kartelle, ein Blick in die Welt der privilegierten Senoras und die durch Hautfarbe manifestierte soziale Trennung statt bleigeladene Spannung aus den Bergen der Drogenbaron - Mit "die Kosmetikerin" hat Melba Escobar einen kolumbianischen Krimi geschrieben, in dem zwar Kokain und die Verflechtungvon Politik und Drogengeschäften angeschnitten werden. Doch weitaus mehr geht es um die nicht minder komplizierten gesellschaftlichen Regeln, die klaren Trennungen zwischen dem Oben und dem Unten der Gesellschaft, um Alltagsrassismus und eine Macho-Gesellschaft, in der Frauen gefälligst schön und verfügbar zu sein haben. Karen, die aus der Küstenprovinz in die Hauptstadt gekommen ist und als Kosmetikerin in einem angesagten Schönheitssalon nahe dran an den Privilegierten ist, träumt von einem besseren Leben. Anfangs hofft sie noch, ihren kleinen Sohn möglichst bald zu sich in die Stadt holen zu können, ihm eine gute Schulbildung bieten zu können. Traumatis