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Es werden Posts vom Mai, 2020 angezeigt.

Mörderische Schwesternliebe

Oops, she did it again!   Kann Krankenschwester Korede nach dem Anruf ihrer kleinen Schwester Ayoola nur denken. Sie hat es schon wieder getan. Denn während manche die Modedesignerin aufgrund ihres Äußeren als männermordendes Traumgeschöpf bezeichnen können, rammt Ayoola Männern in der Tat gerne mal eine 20 Zentimeter lange Klinge zwischen die Rippen.   Nun auch ihrem gegenwärtigen beziehungsweise ehemaligen Freund. Das ist nun bereits der dritte – und damit erfüllt Ayoola ganz offiziell die FBI-Standards für Serienmörder. Doch auch wenn die Schwester eine Serienmörderin ist – Blut ist nun einmal dicker als Wasser. Und so macht sich Korede mit Bleiche und anderem Material als Reinmachen, um Tatspuren zu beseitigen und die Leiche zu entsorgen. Ayoola mag schnell mit der Klinge sein, mit dem gründlichen Aufräumen nach der Tat hat sie es nicht so, da verlässt sie sich lieber auf die große Schwester. Es ist schon eine ganz besondere Schwesternbeziehung und Familiengeschichte, die

Abrechnung mit Gleichgültigkeit und Schweigen - "Deutschland schafft mich"

Man könnte Michel Abdollahi direkt als Vorzeige-Migranten bezeichnen - wenn er nicht schon längst Deutscher wäre. Wenn auch nicht von Geburt an, da war er Iraner, kam als fünfjähriger mit der Oma nach Deutschland. Seine Eltern waren angesichts des Iran-Irak-Krieges in Sorge, dass bei einem männlichen Kind und damit einem künftigen möglichen Soldaten zu einem späteren Zeitpunkt keine Ausreiseerlaubnis möglich gewesen wäre.  Inzwischen ist der studierte Jurist Abdollahi preisgekrönter Journalist, deutscher Staatsbürger und mittlerweile sehr besorgt. Denn egal wie erfolgreich, wie heimisch - für die Menschen der neuen Rechten, für diejenigen, die in Flüchtlingen eine Bedrohung sehen und in Muslimen Terroristen sieht einer wie Abdollahi nicht deutsch genug aus, um dazu zu gehören. Mit seinem Buch "Deutschland schafft mich" hat der Journalist nun eine sehr persönliche Abrechnung mit gesellschaftlichen Entwicklungen unter dem Eindruck eines Abdriftens nach Rechts geschrieben. Ein

Der Widerstand der Gelehrten - Die Bücherschmuggler von Timbuktu

Bei Charlie Englishs Buch "Die Bücherschmuggler von Timbuktu" kommen gleich mehrere Arten von Lesern auf ihre Kosten - die historisch oder geografisch Interessierten, die Anhänger einer gut erzählten "David gegen Goliath"-Geschichte und natürlich all jene, in deren Ohren schon der Klang des Ortsnamens Timbuktu magisch-verheißungsvoll klingt, ähnlich wie Sansibar, Samarkand oder Buchara. Um die Geschichte der sagenumwobenen Oasenstadt geht es auch, um Mythos und Realität, aber auch um den - lange Zeit ignoranten und selbstherrlichen - europäischen Blick auf Afrika, um die Macht von Worten und Wissen und um die Konflikte, die den Wüstenstaat Mali in der Gegenwart prägen. Charlie English, lange Leiter des Auslandsressort des "Guardian", Mitglied der Royal Geographic Society  und seit seinem 19. Lebensjahr immer wieder unterwegs in Afrika, verwebt Geschichte und Geschichten, journalistisches Handwerk und Storytelling. Sein Buch über die Bücherschmuggler, jen

Der Klimawandel kommt - Folgen für Menschen in Nord- und Südsee

Es ist ein interessantes Konzept, die Auswirkungen des Klimawandels zu zeigen: zwei ganz unterschiedliche kleine Gemeinschaften, relativ isoliert von der Außenwelt,   beide vom Anstieg der Meeresspiegel in ihrer Existenz bedroht, ob nun als Angehörige einer Industrienation oder als Vertreter des globalen Südens. In „Nordsee – Südsee“, herausgegeben vom Klimahaus Bremerhaven, wird genau das getan.   Vorgestellt werden zwei Welten im Wandel,   auf den Halligen in der Nordsee und auf Samoa und den benachbarten Inselatollen in der Südsee. Das Buch ist eine konsequente Fortführung der Ausstellung des Klimahauses, die die Besucher entlang eines Längengrades führt. Reich bebildert erinnert der Band eher an ausführliche Umweltreportage als an eine wissenschaftliche Analyse. So versucht   Autorin Jana Steingässer gar nicht erst die Wahrung objektiver Distanz, sondern berichtet mit offenkundiger Sympathie über die Menschen, die sich fragen, ob ihre Enkel oder Urenkel noch das Leben der vor

(Geheimes) Wissen festigt Macht

Wissen ist Macht, lautet bekanntlich ein Sprichwort. Wie geheim erworbenes Wissen Macht festigt, Einfluss verstärkt und womöglich sogar Kriege gewinnt, schildert das von Uwe Klußmann und Eva-Mariea Schnurr herausgegebene Buch "Die Macht der Geheimdienste".  Ein Buch, das auf knapp 240 Seiten einen Abriss der Geschichte der Spitzen, Agenten und Spione vom Mittelalter bis zum Cyberage gibt, kann nicht mehr als eine geraffte Darstellung sein - allerdings liegt in der Kürze der einzelnen Kapitel auch durchaus die erzählerische Würze. Geschrieben ist das Buch von Spiegel-Autoren, und auch Umfang und Tiefe der einzelnen Abschnitte entspricht in etwa einem längeren Magazinartikel. Wer es genauer wissen will, findet einen Literaturanhang, um vertiefter in die Lektüre einzusteigen. Die Jahrhunderte lange Vorgeschichte von Spionagen und Geheimdiensten fällt eher knapp und überschaubar aus, dass es auch in der Antike durchaus geheim gesuchtes Wissen gab, wird gerade mal in ein paar Ne

Am Ende der Familiengeschichte - "Alma"

"Dead as a dodo" heißt es in einer englischen Redewendung, und gemeint ist damit, dass etwas unwiderruflich dahin ist. Jeder Wiederbelebungsversuch zwecklos. Für alle, die sich in der Biologie nicht so gut auskennen: Der Dodo war ein großer, flugunfähiger Vogel, verwandt mit den Tauben  und heimisch auf Mauritius.  Er gilt auch als das erste dokumentierte Beispiel für das vom Menschen verursachte Artensterben. Denn auf der menschenleeren Insel musste der Vogel mit den Stummelflügeln keine Jäger fürchten. Bis dann niederländische Seeleute auf der Insel landeten und erfreut  über den so offensichtlich fleischreichen Vogel waren, der  bei ihrem Anblick nicht etwa floh, sondern  neugierig auf sie zuwatschelte. Der Rest ist gewissermaßen Geschichte. Innerhalb weniger Jahrzehnte gab es keinen Dodo mehr, nirgends. Dead as a Dodo eben. In Jean-Marie Le Clézios Roman "Alma" kommt immer wieder die Sprache auf den Dodo. Der Nobelpreisträger mit Wurzeln auf Mauritius  kehrt m

Mordserie und Babyblues

Ein ungewöhnliches Mordwerkzeug,  eine Mordserie, die Kopenhagen aufschreckt und viele Fragen nach Verantwortung und Missbrauch im Gesundheitswesen - mit ihrem Thrille "Glasflügel" hat die dänische Autorin Katrine Engberg einen weiteren Roman um das Ermittlerduo Jeppe Korner und Anette Werner geschrieben, der in sich abgeschlossen ist, aber auf Entwicklungen der Vorgänger basiert. So setzt Korner seine heimliche Beziehung zu seiner Kollegin Sara fort und grübelt weiterhin: Ist es nur Sex oder ist es Liebe? Ist er bereit für eine Beziehung, die auch zwei Kinder einschließt, Patchworkfamilie statt Ungebundenheit? Wobei es auch mit der Ungebundenheit nicht weit her ist - nach seiner Scheidung ist Korner erst einmal wieder bei seiner Mutter eingezogen, die nun auch während der Arbeit an einem Fall ständig anruft. Als Erwachsener zurück im Kinderzimmer - gar nicht so einfach. Vor allem, da die mütterlichen Anrufe erst recht störend sind, seit täglich eine nackte Leiche in eine