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Es werden Posts vom August, 2022 angezeigt.

Menschenjagd an den Großen Seen

 Das Warten hat sich gelohnt: Mit Princess Margarita Illegal hat Stephen Mack Jones einen weiteren Roman um den Ex-Marine und Ex-Polizisten August Snow geschrieben, und wieder bildet Mexicantown in Detroit den Schauplatz eines spannenden Krimis mit Düsternis und Strahlkraft gleichermaßen. Seit er erfolgreich gegen die Stadt Detroit geklagt hat, ist Snow nicht mehr auf Arbeit angewiesen.  Statt sich auf seinen Millionen auszuruhen und ein süßes Leben zu genießen, ist er ein Philantrop der ungewöhnlichen Sorte und stemmt sich dem Verfall seiner Heimatstadt entgegen, die sich seit dem Niedergang der Automobilindustrie in einer Abwärtsspirale bewegt. Snow, Sohn eines schwarzen Vaters und einer mexikanischen Mutter, ist in das Viertel seiner Kindheit zurückgezogen und hat nicht nur sein Elternhaus restauriert, sondern auch Häuser in der Nachbarschaft aufgekauft, hergerichtet und ist als sozialer Vermieter auch ein bißchen Sozialarbeiter. Doch dann sind seine Ermittlerfähigkeiten wieder gefr

Die Kunst des Scheiterns und die Faszination des bösen Bosses - Mick Herron über die Slough House-Serie

 Ich gebe es zu: Das Mick Jagger Video mit dem Titelsong für die Mini-Serie "Slow Horses" hatte mein Interesse geweckt und mich auf den britischen Schriftsteller Mick Herron aufmerksam  gemacht:  "surrounded my losers, misfits and boozers..." - ja, das klingt nicht gerade nach einer vielversprechenden Arbeitsumgebung. Jedenfalls besorgte ich mir Band eins und auch die folgenden. Nun erscheint bei Diogenes mit "London Rules" der fünfte Band der mittlerweile achtreihigen Serie in deutscher Ausgabe,   Agenten, die keinerlei Lizenz zum Killen haben stehen im Fokus der vielfach ausgezeichneten Krimis von Mick Herron um den Geheimagenten Jackson Lamb. Seit April 2022 läuft der Stoff als Serie bei Apple TV mit Gary Oldman. Spätestens seitdem ist der Autor mit dem sehr britisch-schwarzen Humor, ironischen Dialogen und gepflegtem Sarkasmus kein Geheimtipp mehr.  Herron mag an die Tradition von John LeCarré anknüpfen, doch die Protagoniste seiner Bücher sind Agenten

Europa, die Ukraine und Putins Krieg

 Viele Experten melden sich seit einem halbe Jahr immer wieder zu Wort, um Putin, den Krieg in der Ukraine und die Folgen für den Rest Europas zu kommentieren. Auch Rüdiger von Fritsch, bis 2019 deutscher Botschafter in Moskau, wurde immer wieder befragt. Mit seinem Buch "Zeitenwende" stellt er unter Beweis, wie man ruhig, reflektiert und sachlich über einen Konflikt schreiben kann, der auch hierzulande die Gemüter erregt - auch wenn ich momentan den Eindruck habe, dass sich viele Menschen hierzulande momentan mehr über die Heizungspreise in der nächsten Wintersaison ereifern als über das Schicksal der Menschen in der Ukraine. von Fritsch mag mittlerweile Diplomat im  Ruhestand sein, aber mit seinem Text zeigt er, dass er die diplomatischen Töne keineswegs verlernt hat. Besonnen, kritisch und immer auf der Suche nach Lösungsoptionen schildert er Szenarien und Vorgeschichte, teilt seine Einblicke in das Russland Putins, aber auch die Traditionen und imperialen Träume, auf die

Kleinstadt mit Abgründen - was auf das Ende folgt

 Ein entführtes Kind, eine Mutter, die angesichts der Unsicherheit und Angst in einen Abgrund von Alkohol und Sex taumelt, ein Kleinstadt-Sheriff, der den Stillstand der Ermittlungen immer mehr als persönliches Scheitern erlebt: Mit "Was auf das Ende folgt" zeigt Chris Whitaker einmal mehr Abgründe und Untiefen amerikanischen Kleinstadtlebens. Ich hatte bereits sein Buch "Von hier bis zum Anfang" gelesen und war davon begeistert gewesen. Da stand es für mich sofort fest, auch dieses Buch lesen zu wollen, dessen Titel sogar eine gewisse Fortsetzung impliziert. Hier ging ich allerdings der Übersetzung in die Falle - Im Original heißt das Buch "Tall Oaks" und ist Whitakers Debütroman. Was vielleicht auch eine Erklärung dafür ist, dass mir das Buch zwar wirklich gut gefiel, aber nicht ganz so grandion ist wie "Von hier bis zum Anfang". Ein Autor muss sich schließlich auch entwickeln. In seinem Buch über die teils dramatischen, teils komischen Gescheh

Africa light

  Die unscheinbare Enitan, die selbstbewusste Funmi und die schöne, aber zurückhaltende Zainab sind seit ihrer gemeinsamen Studienzeit an einer Univerität im Norden Nigerias in den 70-er Jahren befreundet. Dreißig Jahre später kommen sie in Lagos zusammen, um diei Hochzeit von Funmis Tochter Destiny zu feiern. Mit dabei: Enitans Tochter Remi, die äußerlich ganz nach ihrem weißen amerikanischen Vater kommt und zum ersten Mal in das Geburtsland ihrer Mutter reist. Mit ihren Fragen und ihrer Neugier, mit der sie all die neuen Eindrücke in der pulsierenden westafrikanischen Metropole bestaunt, ist sie gewissermaßen die Brücke zwischen der Handlung und nicht-afrikanischen Leser:innen. Tomi Obaros Roman "Freundin bleibst du immer" wechselt die Zeitebenen: Geht es zunächst um das Wiedersehen der drei Frauen und die Hochzeitsvorbereitungen, widmet sich der mittlere Buchteil den Jahren des Studiums und zeigt, wie es zu der Freundschaft zwischen den drei von Temperament, ethnischer und

Einblick ins Verteidigerleben

  Wer   die Roman von John Grisham gelesen oder amerikanische oder britische Gerichtsdramen auf der großen Leinwand gesehen hat, denkt leicht, so ein Gerichtssaal sei eine große Bühne und die Anwälte beziehungsweise Staatsanwälte agierten nicht nur mit juristischen Tricks, sondern auch mit viel Rhetorik. Wer dann einmal ein Strafverfahren vor einem deutschen Gericht verfolgt hat, weiß: So dramatisch die Umstände ein können, die Strafprozessordnung macht daraus häufig eine staubtrockene, bürokratische Angelegenheit. Trotzdem ist es immer reizvoll, wenn ein Blick hinter die Roben und Kulissen ermöglicht wird. Als ich sah, dass der Kölner Rechtsanwalt Mustafa Kaplan ein Buch ("Anwalt des Bösen") geschrieben hat, das teils Autobiografie, teils eine Vorstellung seiner größten Fälle und insbesondere die Vertretung von Stephan Ernst im Prozess um den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke ist, war ich sofort interessiert. Dies um so mehr, da ich den Prozess nah

Ein Krimi für Buchfans

 Ein Bestseller, mehrere Morde und ein rätselhafter Autor - mit "eine verdächtig wahre Geschichte" führt Antoine Laurain die Leser*innen in die Welt des Pariser Literaturbetriebs. Sie ist womöglich noch eine Spur eleganter, kapriziöser, großbürgerlicher als anderswo, jedenfalls wenn die Beschreibung der Figuren des Buchs ein Indiz ist. Violaine Lepage hat es aus bescheidenen Anfängen an die Spitze eines Literaturverlags geschafft, ist zugleich die Chefin der Manuskriptabteilung. Die Lektoren, die hier arbeiten, sind mit Trüffelschweinen der Literatur vergleichbar - shließlich müssen sie in dem Wust unverlangt eingesandte Manuskripte das Gespür für den Text haben, der auf dem Buchmarkt den Durchbruch schafft. "Die Zuckerblumen" von Camille Desencres ist so ein Buch, mausert sich zur Sensation, wird für den wichtigsten Literaturpreis Frankreichs nominiert. Und plötzlich hat der Verlag ein Problem. Denn sobald der Preisträger oder die Preosträgerin bekannt ist, folgt e

Absurde Komödie eines indischen Antihelden

 Bunt und wirbelig wie ein Bollywood-Film, absurd-komisch, liebenswürdig und mit zahlreichen verrückten Wendungen kommen die "Bekenntnisse eines Betrügers" vo Rahul Raina daher. In seinem Debütroman zeichnet er ein aberwitziges, pralles Porträt seiner Heimatstadt Neu Delhi, auch wenn er wie so viele der von ihm beschriebenen ehrgeizigen Mittelschichtsinder längst kosmopolitisch zwischen dem Subkontinent und westlichen Ländern unterwegs sind, in Rainas Fall Großbritannien. Ich-Erzähler Ramesh kommt aus einem Teil Delhi, in dem dieser Traum unerfüllbar scheint. Die Mutter starb bei der Geburt, aufgezogen wird er von seinem prügelnden, lieblosen Vater, kann als Kind kaum zur Schule gehen, da er für den Teestand des Vaters Gewürze mahlen muss. Dass er zum Betrüger, Entführungsopfer und Möchtegern-Kidnapper wurde, hat er letzlich dem Traum vom Bildungsaufstieg zu verdankem und einer Nonne, die ihm den Schulbesuch ermöglichte.  Ein gerader Weg zum Erfolg wird Ramesh allerdings nich