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Es werden Posts vom März, 2019 angezeigt.

Gehört Sachsen noch zu Deutschland? - Erklärungsversuche zur Stimmung im Osten

Die Frage auf dem Buchtitel klingt erst mal provokant: Gehört Sachsen noch zu Deutschland? Gehört das, was von Pegida-Demonstrationen bis zu starker (Wahl-)Unterstützung für die AfD, von Angriffen auf Flüchtlingsheime zu den Parolen der Neuen Rechten zu dem Grundkonsens, auf dem die Gesellschaft in Deutschland aufgebaut ist, jedenfalls bis jetzt? Abrechnung oder ein Fall von Ossi-Bashing? Autor Frank Richter ist ein Insider: Parteiloser Politiker, Theologe, ehemaliger Direktor der Landeszentrale für politische Bildung und selbst ein Sachse, der in der DDR aufgewachsen ist. Also einer, der gute Voraussetzungen hat, Befindlichkeiten und Vorgänge zu erklären, die verschrecken, irritieren, wütend machen. Was ist los in Sachsen, dass die Parolen der Rechten auf so fruchtbaren Boden fallen? Richter wütet nicht, er klagt nicht an, er versucht zu erklären. Wie es damals zu DDR-Zeiten war, als die Region um Dresden als Tal der Ahnungslosen galt, weil die Reichweite des West-Fernsehens nicht

Der Patriot - Thriller um Mordserie von Nationalisten an Journalisten

Voll filmreifer Dramatik und Gewalt, zugleich aber auch Auseinandersetzung mit der so gar nicht fiktiven und nicht auf Schweden beschränkten Feindschaft der Neuen Rechten und nationalistischer Extremisten auf liberale Medien: Mit "Der Patriot" hat Pascal Engman einen packenden Thriller geschrieben. Ein mordendes Trio hinterlässt in Schnweden eine Blutspur, nicht unähnlich der Terrorgruppe NSU. Ihre Opfer sind jedoch nicht Migranten, sondern Journalisten, die sich in ihren Artikeln für Toleranz und eine offene Gesellschaft ausgesprochen haben. Zwei weitere Erzählstränge befassen sich mit dem aus Syrien stammenden Taxifahrer Ibrahim, der ein stolzer neuer Schwede ist, aber in eine auswegslose Situation gerät, als er eine Entscheidung zwischen der Liebe zu seiner Familie und der Liebe zu seiner skandinavischen Heimat treffen muss, und mit dem früheren Fremdenlegionär August, der in Chile als Leibwächter für einen russischen Mafioso arbeitet. Die zunächst eher verschlungene H

Aufklärung, Erklärung, Warnung - ein Buch "zur rechten Zeit"

Schön doppeldeutig ist er, der Titel des Buches von Norbert Frei,Franka Maubach, Christina Morina und Maik Tändler: Zur rechten Zeit. Ein Buch, das gerade in die Zeit passt, in die neuen oder auch nicht so neuen Debatten, was deutsch ist und wie sich die Deutschen definieren. Ein Buch aber auch über den Rechtsruck in großen Teilen der Gesellschaft, von Pegida und AfD, von Heimatbegriff und Relativierung der Vergangenheit, von Ressentiments gegen Menschen, die als anders empfunden werden und die Morde der NSU-Terrorgruppe. Der Untertitel “Wider die Rückkehr des Nationalismus” klingt erst einmal nach Streitschrift, doch über weite Strecken hinweg wird erklärt, aufgeklärt, zurückgeblickt und analysiert, wird verständlich gemacht, woher das gar nicht so neue Denken derer kommt, die die Geschichte des Dritten Reiches und der deutschen Verbrechen für einen “Vogelschiss” halten. Dabei greifen die vier Historiker – für mich ein besonderer Verdienst dieses Buches – weit zurück in die Gesc

Worauf wir hoffen - Familiengeschichte um Vertrauen, Liebe, Eifersucht

Mit „Worauf wir hoffen“ hat die amerikanische Autorin Fatiuma Farheen Mirza nicht nur eine emotionsgeladene Familiengeschichte geschrieben, sondern auch in gewisserweise ihre Stimme in der #vonhier-Debatte erhoben. Denn zum einen geht es im Verhältnis der Geschwister Hadia, Huda und Amar zu ihren Eltern und untereinander um Liebe und Eifersucht, um Vertrauen und diese Verbundenheit, die die Beziehung von Geschwistern noch über die zu den engsten Freunden stellt. Da sind Konflikte, die viele Familien kennen: Warum wird der Sohn anders behandelt als die Töchter? Wird das „schwierige“ Kind mehr geliebt, weil es die Aufmerkamkeit der Eltern auf sich ziueht? Wer hat welche Freiräume, wer muss mehr um sie kämpfen? Wo fühlt sich ein Kind von einer besonders engenVerbindung der anderen Geschwister ausgeschlossen? Wer spielt welche Rolle im Familienverband und warum? Insofern wird hier, aus wechselnden Perspektiven, das Aufwachsen der Geschwister in einer kalifornischen Stadt er

Minderheiten-Erfahrungen und neuer Nationalismus - "Eure Heimat ist unser Albtraum"

"Eure Heimat ist unser Albtraum", eine Anthologie von 14 Autoren mit Migrationshintergrund, wie das heute so neudeutsch heißt, passt gerade in die Zeit, in die Debatten um #MeTwo und #VonHier, in das Unbehagen, während nicht nur im Osten Deutschlands wieder nationale Töne aufkommen und das Innenministerium zum "Heimatministerium" geworden ist. Denn was heißt eigentlich Heimat? Und wer bestimmt, wer dazugehört? Der Bundesinnen- pardon, Heimatminister hat den Islam ja bereits ausgebürgert Migration zur Mutter aller Probleme erklärt. Dumm gelaufen also, wenn man Schwierigkeiten hat mit dem Heimatbegriff, wenn man schon mit dem Gefühl aufgewachsen ist, irgendwie anders zu sein. Zwischendurch gab es dann mal Multikulti-Utopien, statt Ausländer heißt es mittlerweile Migrationshintergrund, aber was ändert sich schon, wenn die Bemerkungen über den "komischen" Nachnamen kommen, die Frage, woher man denn wirklich käme oder die Kollegenanfrage zu einem Thema, wo ge

Fluch der bösen Tat - "das Haus der Verlassenen"

Vor ein paar Jahren machte der preisgekrönte Film “Philomena” das Schicksal lediger junger Mütter im Irland der 50-er und 60-er Jahre zum Thema, die in kirchlichen Heimen bis zur Entbindung aufgenomen wurden und ihre Kinder zur Adoption freigeben mussten. Um die berüchtigten Mütter-Kind-Heime geht es auch in Emily Gunnis´s Buch “Das Haus der Verlassenen”, in dem die englische Autorin zugleich die Brücke von ungewollt Schwangeren in den späten 50-er Jahren zu alleinerziehenden Müttern in der Gegenwart schlägt und sich mit der Frage der Suche nach eigenen Wurzeln von adoptierten Kindern auseinander setzt. Die junge Journalistin Sam, die seit der Geburt ihrer Tochter bei ihrem Chef zu kämpfen hat, um noch anspruchsvolle Geschichten schreiben zu können, stößt in der Wohnnung ihrer Großeltern einem alten Schreibtisch auf den Brief einer verzweifelten jungen Frau an ihren Freund. Die junge Ivy ist ungewollt schwanger, ihr Freund ein vielversprechender Fußballspieler. Sie bittet ihn,

Rheinblick - Willy-Hoffnungen und Bonner Republik

Mit "Rheinblick" hat Brigitte Glaser ein Zeitbild der Bonner Republik in Zeiten voller Aufbruchshoffungen und zugleich das Porträt dreier Frauen gezeichnet. Beim "Rheinblick" handelt es sich um eine Kneipe mit rheinischer Gemütlichkeit, die von der schlagfertigen und ausgesprochen diskreten Wirtin Hilde Kessel mit Charme und Schnauze geführt wird. In unmittelbarer Nähe des Angeodnetenhauses gelegen, zieht der Rheinblick Politiker aller Parteien an - gewissermaßen eine große Koalition bei Kölsch und Rheinwein. Da ist so manches zu hören, doch Hilde weiß zu schweigen. Nur einmal hat sie sich, nicht zuletzt aus einer finanziellen Notlage hearus, zu einer Indiskretion hinreißen lassen und leidet nach wie vor darunter. In Zeiten der heutigen Politikverdrossenheit liest sich vieles wie aus einem anderen Land, und ein bißchen war diese alte Bundesrepublik das ja auch. Es ist das Jahr 1972 und Willy Brandt ist gerade als Kanzler bestätigt worden. Die Ostpolitik der sozial