Worauf wir hoffen - Familiengeschichte um Vertrauen, Liebe, Eifersucht
Mit
„Worauf wir hoffen“ hat die amerikanische Autorin Fatiuma Farheen
Mirza nicht nur eine emotionsgeladene Familiengeschichte geschrieben,
sondern auch in gewisserweise ihre Stimme in der #vonhier-Debatte
erhoben. Denn zum einen geht es im Verhältnis der Geschwister Hadia,
Huda und Amar zu ihren Eltern und untereinander um Liebe und
Eifersucht, um Vertrauen und diese Verbundenheit, die die Beziehung
von Geschwistern noch über die zu den engsten Freunden stellt.
Da
sind Konflikte, die viele Familien kennen: Warum wird der Sohn anders
behandelt als die Töchter? Wird das „schwierige“ Kind mehr
geliebt, weil es die Aufmerkamkeit der Eltern auf sich ziueht? Wer
hat welche Freiräume, wer muss mehr um sie kämpfen? Wo fühlt sich
ein Kind von einer besonders engenVerbindung der anderen Geschwister
ausgeschlossen? Wer spielt welche Rolle im Familienverband und warum?
Insofern
wird hier, aus wechselnden Perspektiven, das Aufwachsen der
Geschwister in einer kalifornischen Stadt erzählt, wie es in vielen
Familien ähnlich verlaufen dürfte. Hadia, die Älteste, die wie so
viele ältere Geschwister die Vernünftige sein muss, die
Verantwortung trägt, Leistung bringt, Ehrgeiz entwickelt, vielleicht
auch, weil sie spürt, dass sie so die Erwartungen vor allem des
geliebten aber strengen Vaters Erfüllt. Huda, die mittlere, die eng
mit der großen Schwester verbunden ist, in der Familie das
unauffällig-liebe Kind ist und Amar, ein paar Jahre jünger als die
Schwestern, der mal sensible, mal aggressiv-wütende Familienrebell,
der aus den Regeln ausbricht, vor allem mit dem Vater Konflikte hat,
während die Mutter ihren Jüngsten zu beschützen und zu verwöhnen
versucht.
Daneben
müssen sich die Geschwister aber auch als Kinder
indisch-muslimischer Einwanderer definieren, deren Regeln von denen
der Familien ihrer Freunde abweichen, deren Schulfreunde ihren Platz
in der Schule haben, aber nicht in ihrem Heim – denn dort ist der
Ort für Familien aus der Moscheegemeinde, dort werden die religiösen
Regeln streng eingehalten und die Mädchen haben im Alter von neun
Jahren die Wahl zu treffen, die nicht wirklich eine freie
Entscheidung ist, sondern vom Wunsch geprägt ist, die Eltern nicht
zu enttäuschen und von jetzt an den hijab zu tragen.
Vor
allem Hadia und Amar hadern mit den Regeln und Vorschriften, die sie
im Vergleich zu ihren nicht muslimischen Freunden vielfach einengen.
Der größte Akt der Rebellion für Hadia im Teenageralter ist es,
sich eine Haarsträhne blau zu färben – freilich eine Strähne,
die auch dann nicht zu sehen ist, wenn sie zu Hause in der Familie
das Haar offen trägt. Und schon mit sieben Jahren wird ihr
eingeprägt, dass auch gleichaltrige Jungen aus der Moscheegemeinde
stets nur „Bekanntschaften“ sein dürfen. Freundschaften sind in
dem nach Geschlechtern getrennten Leben nicht vorgesehen.
Ausgerechnet
der 11. September führt dazu, dass Hadia und Huda den Hijab in der
Schule ablegen – aus Sicherheitsgründen, die Eltern fürchten,
ihre Kinder könnten als Muslime angefeindet werden. Ihre
Befürchtungen erweisen sich ziemlich schnell als begründet.
Bei
aller Strenge und Frömmigkeit: Laila und Rafik, die Eltern, sind
alles andere als engstirnige Monster. Sie wollen offensichtlich nur
das Beste für ihre Kinder. Dass Amar an
der Strenge zu zerbrechen droht und schließlich Zuflucht in Alkohol
und Drogen sucht, dass Hadia sich ihre Freiräume letztlich durch
Anpassung erobert, dann aber durchsetzt, den Mann ihrer Wahl heiraten
zu dürfen, verändert letztlich auch die gesamte Familiendynamik.
„Worauf
wir hoffen“ ist eine vom Leben gezeichnete Geschichte, die
Sympatien für die beschriebene Familie weckt, packend geschrieben
und lässt den Leser hoffnungsvoll auf eine versöhnliche Zukunft
trotz aller Risse und Entfremdung zurück.
Fatima
Farheen Mirza, Worauf wir hoffen
dtv
2019
475
Seiten, 24 Euro
ISBN
978-3-423-28176-9
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