Eine Liebe zwischen Krieg und Schreibmaschine - "Hemingway und ich"
Wenn junge,
ehrgeizige Journalistinnen, die sich auch zur Kriegs- und
Konfliktberichterstattung hingezogen fühlen, nach weiblichen
Rollenvorbildern in der viele Jahre doch von Männern dominierten
Szene suchen, taucht früher oder später der Name Martha Gellhorn
auf. Was hat sie nicht alles gemacht, damals noch als eine der ganz
wenigen Frauen – im spanischen Bürgerkrieg war sie dabei und bei
der Landung der Alliierten in der Normandie, im sowjetisch-finnischen
Winterkrieg, später auch in vielen anderen Konflikten nach dem
Zweiten Weltkrieg. Nun hat Paula McLain ihr ein Buch gewidmet.
Schon der Titel
“Hemingway und ich” macht allerdings deutlich, dass es nicht nur
um die Biografie der Kriegsreporterin Gellhorn geht, sondern ganz
besonders um die intensive, konfliktreiche Liebesbeziehung mit dem
Schriftststellerkollegen Ernest Hemingway und dem Ringen der
Romanautorin Gellhard, als eigenständige Autorin wahrgenommen zu
werden, nicht als die Geliebte und spätere Ehefrau Nummer Drei,
So geht es denn auch
vor allem um die sieben Jahre des Paares Gellhorn/Hemingway – von
ersten, zufälligen Begegnung in einer Kneipe in Key West bis zu dem
bitteren Zerwürfnis und Deja Vu-Erlebnis – Gellhorn checkt in
einem Hotel ein und erfährt, dass eine junge, ausnehmend hübsche
Journalistin das Zimmer neben dem Ex-Gatten bewohnt. Eine ähnliche
Situation wie die, mit der sich Ehefrau Nummer Zwei abfinden musste,
als es die junge Gellhorn war, die pro forma im Nachbarzimmer
abgestiegen war. So wechseln die Perspektiven.
Von der Zeit nach
Hemingway ist nur im Epilog kurz die Rede, die Zeit davor zeigt
Gellhorn als höhere Tochter mit Reisedrang und dem Hang zu
verheirateten Liebhabern, getrieben auf der Suche nach etwas Neuem
und wohl auch nach Aufmerksamkeit. Die Erfahrung des Spanischen
Bürgerkriegs prägt sie – sowohl als Journalistin, im Drang, die
Wahrheit zu berichten und natürlich auch in der Beziehung zu
Hemingway, die schnell über die Kameraderie unter den Journalisten
zwischen Front und Bomben hinausgeht.
Einige Jahre scheint
das Paar die perfekte Symbiose gefunden zu haben – zwei
Schriftsteller unter einem Dach, auf ihrer kubanischen Finca, sich
gegenseitig unterstützend, anspornend. Als Gellhorns neuer Roman
nicht nur bei den Kritikern floppt, sondern sie obendrein als
Hemingways Anhängsel gesehen wird, während er mit “Wem die Stunde
schlägt” auf dem Zenit seines Ruhms steht, ist das für Gellhorn
qüälend. Neue Reportagereisen sind auch eine Flucht vor der Rolle,
in der sie nur als “Frau von….” gesehen wird statt mit ihren
eigenen Leistungen gewürdigt zu werden. Doch je erfolgreicher sie
ist, desto vergrätzter reagiert Hemingway, dessen Alkoholeskapaden
das Zusammenleben zudem immer schwieriger machen. Gellhorn beweist
sich als unabhängige, eigenständige Frau – um den Preis der
großen Liebe ihres Lebens.
Es ist vor allem die
private Martha Gellhorn, die McLain in den Vordergrund ihres Romans
stellt, mit ihren Gefühlen, Hoffnungen, Unsicherheiten, mit dem
angesichts der Kriegserlebnisse ständig brechendem Herzen. Wie viel
davon Phantasie ist und wie viel authentische Gellhorn, lässt sich
schwer sagen, auch wenn Gellhorn, so wie sie in dem Buch gezeichnet
wird, heutzutage mit dem Journalismus ihre Schwierigkeiten haben
dürfte, geht es doch um Objektivität und nicht um eigene Gefühle.
Wenn sie Jahrzehnte lang als Kriegsreporterin arbeitete, ist zudem zu
vermuten, dass sie sich bereits im Zweiten Weltkrieg ein dickeres
Fell und einen inneren Abstand zu ihrem Thema zugelegt haben dürfte.
Aus heutiger Sicht
jedenfalls hatten Gellhorn und Hemingway ein
Luxus-Korrespondentenleben: Drei oder vier Monate unterwegs mit der
Verpflichtung, etwa ein Dutzend Artikel in dieser Zeit zu produzieren
– es war wirklich eine ganz andere Zeit. Gutes Aussehen und
Beziehungen bis hin ins Weiße Haus, wie Gellhorn sie hatte, sind
dagegen auch heute durchaus noch karierrefördernd.
Die literarische
Liebesgeschichte zwischen Krieg und Schreibmaschine verzichtet
erfreulicherweise ganz überwiegend auf Kitsch oder überhöhte
Heldinnendarstellung. Und eine spannende Frau war Martha Gellhorn
allemal – auch ohne den berühmten Ex-Gatten.
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