1968 - ein Jahr, das Geschichte schrieb
#Zeitgesschehen #Deutschland #Sachbuch
Claus Koch ist ein
68-er – und darauf ist er, mancher Desillusionierung zum Trotz,
nach wie vor ziemlich stolz. In seinem Buch 1968 setzt er sich nicht
nur mit der eigenen Generation auseinander, sondern auch damit, wie
die 68-er die Generation der eigenen Kinder und Enkel prägten und
sich von der Generation ihrer Eltern absetzten.
Sie wollen vor allem
eines sein: nicht so wie ihre Eltern, wie die Verdrängungsexperten,
die Schuld, Verantwortung und Fragen zu den deutschen Verbrechen
während des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs, zur
eigenen Verstrickung, nicht zulassen wollte. Darüber hinaus gab es
für die Schüler und Studenten, für die das Jahr 1968 zum Jahr von
Aufbruch, von Träumen und Rebellion wurde, noch einiges andere, was
sie von der auf Leistung und Gehorsam gedrillten Elterngeneration
absetzte. Sprich: Sex, Drugs und Rock ´n´Roll – für die einen
mehr ein Wunschtraum, von anderen so oft wie möglich praktiziert.
Die Abrechnung mit
der Elterngeneration riss Narben, das merkt man de Buch von Claus
Koch auch 50 Jahre nach 1968 an. Eine gewisse Unversöhnlichkeit
spielt immer noch mit, eine Verletztlichkeit angesichts einer
Kindheit, die vor allem als lieblos und strafend empfunden wurde.
Koch konzentriert sich, das ist vermutlich kein Wunder bei einem, der
damals selbst dabei war, stark auf die deutsche 68-er-Generation,
gerade die Entwicklung in Frankreich wird kurz gestreift, und auch
die amerikanische Protestbewegung bleibt eher eine historische
Fußnote. Das macht den großen Unterschied etwa zu Mark Kurlansky´s
schon vor Jahren veröffentlichtem Buch über das Jahr 1968 aus, in
dem auch deutlich ausführlicher auf die so ganz anderen Ereignisse
in Polen und in der Tschechoslowakei eingegangen wird.
Gerade die
Subjektivität macht das Buch spannend – auch wenn letztlich nicht
klar wird, warum ausgerechnet Vertreter einer Generation, die die
Eltern wegen ihrer unkritischen Haltung im Nationalsozialismus
gnadenlos attackiert, sich selbst bereitwillig dem Dogmatismus der
diversen K-Gruppen unterwarf, jahrelang auf Dialektik stürzte und
sich als Speerspitze einer Arbeiterrevolution sah, mit der sie
aufgrund ihrer Herkunft aus Groß- oder Bildungsbürgertum meist
nicht das geringste zu tun hatten.
Ein wenig
schwülstig-schwärmerisch fällt der Rückblick auf die eigene
Jugend mitunter aus und auch die Abrechnung mit der Borniertheit
einiger Möchtergern-Revolutionäre scheint von einer gewissen
Altersmilde geprägt. Ein bißchen selbstverliebt sieht sich der
68-er Autor wohl auch ein halbes Jahrhundert nach dem Auf- und
Umbruchsjahr. Denn irgendwie kommt beim Lesen der Eindruck auf, als
seien die Umweltbrwegung der 70-er, die Friedensbewegung der 80-er
und die übrigen Protestbewegungen der nach 68-Zeit letztlich nur ein
müder Abklatsch gewesen, copycat-Proteste, nichts Eigenständiges
sondernv letztlich aus der großen Quelle 1968 gespeist.
Dennoch: Am Ende ist
die neue Generation gefragt, das Erbe anzutreten: “Jetzt ist es an
unseren Kindern, die Kämpfe für eine gerechte Welt, die weiterhin
anstehen, auszufechten und die Hoffnung darauf nicht aufzugeben.”
Claus Koch, 1968.
Drei Generationen. Eine Geschichte
Gütersloher
Verlagshaus, 2018
ca 270 Seiten
ISBN
978-3-579-08655-3
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