Wissenschaftliche Reise durch Nacht und Universum

Mit seinem Buch „Die Magie der Nacht“ hat der Astrophysiker Trinh Xuan Thuan Grenzen gesprengt.  Denn seine „wissenschaftliche Reise von der Abenddämmerung zum Morgengrauen“ verbindet nicht nur – was zu erwarten wäre  - Astrophysik und Astronomie, auch Fragen der Biologie und Chemie werden verbunden mit philosophischen Überlegungen, mit Poesie und Kunst. Diese Mischung – und die wunderbare Optik – macht den besonderen Reiz dieses Buches aus.
Denn „Die Magie der Nacht“ illustriert die Faszination der Sterne und des Universums auch für Nicht-Wissenschaftler  mit doppelseitigen Aufnahmen von Milchstraße , Orionnebel und Galaxien, fotografiert mit dem Weltraumteleskop Hubble. Doch auch die Nachtgedanken von Malern, Dichtern und Schriftstellern finden ihren Platz in Wort und Bild.

Thuan schafft es, unterhaltsam,  geradezu episodenartig und allgemeinverständlich über Wissenschaftsgeschichte und Erkenntnisgewinn zu erzählen, eingebettet in seine ganz eigene Reise in eine Forschungsnacht, als er von einem Teleskop auf dem Gipfel des Vulkan Mauna Kea auf Hawaii die Möglichkeit hat, eine Nacht lang Blaue Zwerggalaxien zu beobachten und Daten für seine Forschung zu sammeln. 

Feldforschung eben, einmal ganz nahe am Objekt seiner Studien zu sein, nach sorgsamer, langer Vorbereitung, auch weil das menschliche Gehirn  trotz einem Tag Eingewöhnungszeit in mehr als 4000 Metern Höhe unter Sauerstoffmangel langsamer funktioniert als üblich. Hier oben, ohne Lichtverschmutzung und daher schon ohne das Teleskop mit einem funkelnden Sternenhimmel über sich,  kann sich der Forscher „wie in Osmose mit dem Universum“ fühlen: „Wenn ich Himmelskörper in ihrer sehr fernen Vergangenheit sehe,  überkommt mich immer ein Gefühl von Unwirklichkeit. Einige dieser Objekte gibt es vielleicht schon gar nicht mehr, aber die Nachricht ihres Todes wird die Erde erst erreichen, wenn auch ich schon lange verschwunden bin.“

Dem Buchtitel entsprechend, befasst sich Thuan aber nicht nur mit dem nächtlichen Sternenhimmel als Wissenschaftsobjekt, sondern auch  mit der Nacht als Zeit von Stille, Dunkelheit, die sowohl düstere „Nachtgedanken“ verstärken als auch Vorstellungskraft freisetzen kann. In kleinen Exkursen mit Beiträgen aus Kunst und Literatur geht es um die Nacht als Zeit der Liebenden, aber auch als Zeit der Ängste und der Mystiker.

Nachdenklich wird der Autor bei seinen Betrachtungen über das Verhältnis der Menschen zum Universum und untereinander. Dabei lässt der in Vietnam geborene Thuan auch seine eigenen geistigen Traditionen von Buddhismus und Taoismus  einfließen.  Zwischen Abenddämmerung und Morgengrauen gibt es eben nicht nur am nächtlichen Himmel viel zu entdecken.

Trinh Xuan Thuan, Die Magie der Nacht. Eine wissenschaftliche Reise von der Abenddämmerung bis zum Morgengrauen.
Piper-Verlag, 2019
Ca. 250 Seiten, 25 Euro
ISBN 978-3-492-05936-7

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