Trump und andere Autokraten
Viel ist schon über Donald Trump und seine Präsidentschaft
geschrieben worden - von Beobachtern
innerhalb und außerhalb der USA, von ehemaligen Regierungsmitgliedern und
Enthüllungsjournalisten, von Whistleblowern.
Jetzt hat Masha Gessen mit „Autokratie
überwinden“ ihre eigene Analyse geschrieben und geht darin auch mit jenen
kritisch zu Gericht, die ihre Ablehnung von Trumps Politik teilen.
Interessant an Gessens Buch ist insbesondere der
internationale Vergleich, den sie aufgrund ihrer eigenen Lebensgeschichte mit
einer besonderen Perspektive ziehen kann – in der damaligen Sowjetunion
geboren, ihre Familie wanderte in die USA aus, Gessen arbeitete als
Journalistin in Russland, Ungarn und Israel, schrieb ein Buch über Wladimir
Putin. Sie beschreibt Trumps Regierung als Entwicklung autokratischer Herrschaft,
zieht Parallelen zum Demokratieabbau in Russland und in Orbans Ungarn, zu den
Nepotismus- und Korruptionsvorwürfen gegen Netanyahu.
Und in der Tat – Trump mag mit seinen Tweets, seinen selten
kohärenten Äußerungen, seinem Auftreten
belächelt und augenrollend abgetan werden, aber er ist nun mal in einer
Position, die ihn zum mächtigsten Mann der Welt macht. Und auch wenn man ihm
nicht die Intelligenz für eine wirklich große Schurkenrolle zutrauen mag: Der
Kampf gegen Medien und Gerichte, gegen Einwanderer oder LGBT-Rechte wird nicht
nur von den Orbans undKaczynskis geführt.
Trump bemüht sich schließlich gar nicht erst, seine Verachtung für
diejenigen zu verstecken, die nicht zu seinen Bewunderern gehören.
Mit dem politischen Establishment und den etablierten Medien
geht Gessen dabei kritisch um, wirft ihnen mangelndes Profil und eine gewisse
Komplizenschaft vor. Die Selbstverpflichtung politischer Journalisten zu
Neutralität und ausgewogener Berichterstattung scheint ihr hier falsch. Klare
Ansage sei gefragt. Allerdings – nicht umsonst wird im Journalismus zwischen
Nachricht und Kommentar getrennt. Was parteiliche Berichterstattung heißt, ist
schließlich bei Trumps Hausssender Fox oder bei Breitbart News zu sehen. Aus
der Position eigener moralischer Überlegenheit (und in der sehen sich vermutlich
genauso dieTrump-Anhänger) nur noch auf Stimmungsmache zu schreiben, könnte
vielleicht Trump ein paar Nadelstiche versetzen (aber der Mann hält die
etablierten Medien eh für fake news-Verbreiter) – besseren Journalismus macht
das meiner Meinung nach nicht.
Allerdings: Es ist schon depremierend, zu lesen, wie Trump
in den Medien als „präsidial“ gelobt wird, wenn er gelegentlich tatsächlich
einmal nicht als eitler Selbstdarsteller mit wirrem Wortsalat auftritt, sondern
tatsächlich einmal der Würde des Amtes halbwegs gerecht wird
Dennoch, auch mit Trump im Weißen Haus stehen die USA nicht
kurz vor der Diktatur, darauf legt Gessen wert Doch auch ein autokratisches Regime, eine
Regierung des schlechtesten und inkompetentesten, die manches bisher Unvorstellbare
„normal“ gemacht hat, kann in nur wenigen Jahren lang anhaltende und erhebliche
Folgen haben, befürchtet die Autorin.
Auch ohne staatlichen Terror wie in einem diktatorischen
Regime sei so manchen nicht nur wegen des Umgangs mit Corona-Pandemie einer
mitunter lähmenden Angst ausgesetzt.
Andere könnten die Option wählen, die auch Einwohnern totalitärer
Staaten vertraut ist: der Rückzug ins Privatleben, gewissermaßen eine Vogel Strauß-Politik, die
politische Ereignisse einfach nicht mehr zur Kenntnis nimmt. Für Trump wäre da
ein Sieg „in seinem Kampf gegen die Politik“
Die Erholung vom Trumpismus werde kein Prozess der Rückkehr
zu einem Regierungsgssystem sein, wie es früher war, zu einem fiktiven
Normalzustand, wie er vor Trump bestanden hatte, warnt Gessen. „Der
Erholungsprozess wird nur als Wiedererfindung der Institutionen möglich sein,
eine Neubestimmung all dessen, was es bedeutet, eine Demokratie zu sein, wenn
es denn das ist, was wir sein wollen.“
Was die Amerikaner wollen – spätestens im November werden
wir es erfahren.
Masha Gessen, Autokratie überwinden
Aufbau Verlag, 2020
299 Seiten, 20 Euro
978-3-351-03854-0
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