Der Massai, der Kunsthändler und ein Rachefeldzug
Die Romane von Jonas Jonasson haben in der Regel eine Gemeinsamkeit: Einen Protagonisten, der teils als skurriler Außenseiter, teils als Underdog gegen scheinbar übermächtige Gegner zu kämpfen hat und in der Manier eines Forrest Gump es irgendwie schafft, unbeschadet die aberwitzigsten und bedrohlichsten Situationen zu umschiffen. Gewürzt mit einer Prise augenzwinkerndem Humor, unerwarteten Begegnungen und scheinbarer Naivität steuert die Handlung nach verschiedenen Komplikationen doch noch auf ein Happy End zu und hinterlässt beim Leser ein Wohlfühlerlebnis. Die Kraft der Schwachen hat gesiegt gegen Gemeinheiten und Intrigen.
Jonassons jüngstes Buch „Der Massai, der in Schweden noch
eine Rechnung offen hatte“ bildet da keine Ausnahme. Auch hier vereinen sich
die Underdogs gegen einen fiesen Widersacher, bei dem es sich in diesem
Fall um den Kunsthändler Victor
handelt. Dessen Kunstverständnis hat ähnlich
wie seine politischen Ansichten viel mit einem berühmten, wenn auch
künstlerisch unterbelichteten österreichischem Maler mit dem Vornamen Adolf
gemeinsam. Victor ist zwar ein
Frauenfeind und Rassist, wird als ehemaliger Stammkunde einer
schwarzen Prostituierten aber mit unerwarteten späten Vaterpflichten
konfrontiert: Kurz vor ihrem Tod überträgt die Frau ihm die Verantwortung für den
gemeinsamen Sohn Kevin.
Der Leser hat es schon geahnt: Als Vaterfigur ist Viktor denkbar ungeeignet, und Liebe für den schwarzen Sohn will er erst recht nicht entwickeln. Kevin wird zunächst notdürftig in einer kleinen
Vorstadtwohnung untergebracht und dann eines steten Vorrats an Tiefkühlpizza am
Leben gehalten. Kurz nach seinem 18.
Geburtstag hofft der junge Mann, dass
sein Vormund die Beziehung auf eine etwas persönlichere Ebene bringen will,
reisen die beiden doch nach Kenia. Allerdings nur, weil Viktor seinen
Sprössling in der Savanne aussetzt, in der Hoffnung, er werde schon von den
reichlich vorhandenen Löwen gefressen.
Retter in der Not für den längst totgeglaubten Kevin ist Ole
Mbatian, letzter männlicher Vertreter einer Familie von Medizinmännern vom Volk
der Massai, der als Vater von acht Töchtern in Kevin den scheinbar vom Himmel
gefallenen Ersatzsohn sieht. Der
sprachbegabte junge Mann lernt nicht nur Suaheli und Maa, sondern auch alles,
was ein echter Massai zwischen Manyatta und Savanne zum Überleben braucht.
Die mit dem noch ausstehenden Initiationsritus verbundene
Beschneidung lässt ihn allerdings aus
seiner neuen Familie zurück nach Schweden fliehen, wo er in seiner alten
Wohnung ausgerechnet Viktors sehr junge Ex-Frau Jenny trifft, die aus der Ehe
mit einer Abfindung von 50 Öre hervorgegangen ist.
Gemeinsam schmieden sie Rachepläne, bei denen der einstige Werbe-Guru Hugo mit seiner
neuesten Geschäftsidee, der „Rache ist süß“ GmbH , eigentlich das große Geld
verdienen will. Trotzdem nimmt er aus zunächst ganz eigennützigen Motiven die beiden Pechvögel als kostenlose Arbeitskräfte unter
seine Fittiche. Zwei unsignierte
Gemälde, die der expressionistischen Malerin Irma Stern zugeschrieben werden,
vielleicht aber auch dem vielseitig talentierten Medizinmann, spielen dabei
eine Schlüsselrolle. Für Intrigen und Gemeinheiten sind eigentlich sowohl Kevin
als auch Jenny zu naiv, doch die beiden eher weltfremden jungen Leute wachsen
mit den Aufgaben.
Mit der Ankunft Ole Mbatians, der in Schweden nach seinem
verlorenen Sohn sucht und auch bei Minusgraden nicht auf die traditionelle
Shuka verzichtet, nimmt die chaotische Entwicklung des geplanten Rachefeldzugs
noch einmal an Fahrt auf. Vor allem, da
der alte Medizinmann mit seiner absoluten Ehrlichkeit in der modernen
schwedischen Gesellschaft noch exotischer wirkt als mit dem über die Schulter
geschwungenen rot-schwarzen Tuch und der Wurfkeule, die normalerweise Löwen und
Büffeln Respekt einflößen. Der Massai, der nicht lügen kann und in Schweden erst einmal einen Kulturschock erlebt, sorgt dabei zwar für ein paar zusätzliche Probleme, aber auch für unorthodoxe Problemlösungen.
Kunstdiebstahl und
Rechtsextremismus, kulturelle Missverständnisse und die
Auseinandersetzung mit der Moderne – bei allem Augenzwinkern enthält „Der
Massai, der in Schweden noch eine Rechnung noch offen hatte“ auch nachdenkliche
Töne. Und natürlich ein Happy End
Jonas Jonasson, Der Massai, der in Schweden noch eine
Rechnung offen hatte
C. Bertelsmann Verlag, München 2020
Ca 400 Seiten, 22 Euro
ISBN 978-3-570-10410-1
Kommentare
Kommentar veröffentlichen