Debütroman voller Power und Zärtlichkeit - Die jüngste Tocher

 "Die jüngste Tochter", der Debütroman von Fatima Daas ist im vergangenen Monat erschienen, aber er passt noch besser in den Juni, den Pride-Monat der LGBTQI-Community. Fatima Daas ist ein Pseudonym, und hat mit ihrer gleichnamigen Ich-Erzählerin viel gemeinsam: Sie ist die Tochter einer algerischen Einwandererfamilie, und sie ist lesbisch. Sie ist auch eine gläubige Muslima - und ringt um eine Vereinbarkeit ihrer Religion und ihrer auch von ihr selbst als sündig wahrgenommenen Lebensweise. 

Eine  Autobiografie oder Literatur mit autobiografischen Elementen? Auf jeden Fall ein  eindrücklicher Roman mit einer Sprache voller Wut und Zärtlichkeit, zwischen dem Aufbegehren eines in der Schule auffälligen Mädchens aus der Vorstadt und der schreibenden jungen Frau, die nicht nur ihre Rolle in der Metropole Paris sucht, sondern ihre verschiedenen Leben miteinander versöhnen will.

Geradezu meditativ, wie die Perlen einer Gebetskette, wie die Sätze der Koransuren und Gebetsrufe ist die immer wiederkehrend Wiederholung ihres Namens und seiner Bedeutung: "Ich heiße Fatima", Fatima, wie die jüngste und liebste Tochter des Propheten. Die jüngste der Familie ist auch sie, die erste, die in Frankreich geboren wurde, diejenige, die dort schon mehr heimisch ist als im Geburtsland der Eltern, wo die Großmutter bereits Schwierigkeiten hat, sie zu verstehen, weil sie den algerischen Dialekt nur fehlerhaft beherrscht. Ihr Arabisch ist das der Ban-lieus.

Gesprochen wird aber nicht viel in ihrer Familie. Die Mutter flüchtet sich in Haushalt und Kochen, die beiden älteren Schwestern proben früh den Ausbruch, da der Vater sie brutal schlägt. Fatima bleibt davon verschont, sie ist zwar nicht der ersehnte Sohn, aber der Vater behandelt sie wie einen Jungen. Das macht es ihr später zunächst leichter - ihre burschikose Kleidung, die Freundschaft fast nur mit Jungen - das fällt zunächst nicht auf. Ihre beste Freundin ist anfangs die einzige, die weiß, dass Fatima Frauen liebt, bei der sie über Frust und Lust reden kann, die sie akzeptiert und bestärkt. 

Fatima sucht Intimität, kann sich aber selbst nur schwer hingeben. Sie sucht Nähe und hält Distanz, auch, indem sie Parallelbeziehungen pflegt. Sie will ihre Sexualität ausleben und leidet unter Schuldgefühlen, sucht das Gespräch mit Imamen, auch hier nur mit Distanz, nach dem Motto "Ich habe eine gute Freundin,  die liebt anders als normal."

Diesen Zwiespalt, die Zerrissenheit, die Probleme, sich selbst mit ihrer Homosexualität anzunehmen, berühren, stehen im Gegensatz zu dem brachialen Umgang, den sie als Jugendliche im Umgang mit Lehrern und als schwach empfundenen Mitschülern zeigte. Die kurzen Sätze, die unsentimentale Sprache, Direktheit und Verletzlichkeit prägen dieses Buch einer doppelten Identitätssuche. Ein Debüt, das neugierig macht auf mehr von Fatima Daas .

Fatima Daas, Die jüngste Tochter

Ullstein, 2021

192 Seiten, 20 Euro

 9783546100243

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