Die blaue Mauer muss Risse bekommen - Auf dem rechten Weg?

 Mit seinem Buch "Auf dem rechten Weg?" reiht sich der Autor Aiko Kempen ein in die Veröffentlichungen, die sich mit Extremismus in den Sicherheitsbehörden befassen - ähnlich, wie zuvor etwa schon "Extreme Sicherheit" oder "Staatsfeinde in Uniform". Wie neu die Erkenntnisse für die Leser:innen sind, hängt also auch mit davon ab, wie vertraut die mit vorangegangenen Büchern bereits sind. Merkmal bei "Auf dem rechten Weg?" ist, dass sich der Autor ausschließlich auf die Polizei konzentriert und nicht allein Rechtsextremismus, sondern auch strukturellem Rassismus und Strukturen innerhalb der Polizei nachgeht. Auch blickt er zurück bis in die 90-er Jahre, während andere Autoren sich eher auf die Vorfälle der jüngsten Zeit konzentrieren.

Kritiker innerhalb der Polizei kommen ebenso zu Wort wie Polizeiforscher, auch aus einschlägigen Medienberichten zu Vorfällen innerhalb der Polizei wird zitiert. Dabei gehört es zu den technischen Besonderheiten von Buchveröffentlichungen, dass angesichts der längeren Vorbereitungszeit bei aktuellen Themen die Halbwertzeit manchmal sehr schnell erreicht ist - in diesem Fall gilt das etwa für die Morddrohungen der "NSU 2.0" Serie. Die aktuellen Entwicklungen wie die Festnahme eines Tatverdächtigen im Mai und die bislang ungeklärten Fragen zu den Ermittlungen sind nicht mehr Teil des Buches, das mit Stand Februar 2021 fertiggestellt wurde.

In seinem Buch lässt Kempen enttäusche Polizeischüler ebenso zu Wort kommen wie Ausbilder, Whistleblower und Beschwichtiger. Er zeigt Grauzonen auf - nicht jeder, der aufgrund von strukturellem Rassismus rassistisch handelt, ist ein Rechtsextremist oder würde sich selbt als rassistisch bezeichnen. Gleichzeitig müsse gerade aufgrund des polizeilichen Gewaltmonopols ein besonderer Anspruch angelegt werden. Es mache eben schon einen Unterschied, ob ein Rassist als Polizist im Einsatz sei oder als Bäcker arbeite.

Kritisch geht der Autor mit der Rolle von Polizeigewerkschaften und Politikern um, die in der Diskussion aus Tätern Opfer machen und einen Generalverdacht gegen die Polizei beklagen. Er zeigt Strukturen und Besonderheiten auf, die einmal die Zusammensetzung der Polizei betreffen und die Einstellungen, von denen Polizisten besonders geprägt sind. Auch geht es um den "Code of Silence" - das unbedingte Zusammenstehen, das auch in das Verschweigen von Fehlverhalten aus falsch verstandener Kollegen-Solidarität umschlagen kann. Kein Zweifel - um die tatsächlichen Zustände erkennen zu können, muss die blaue Mauer des Schweigens Risse bekommen.

Wirklich Neues habe ich aus diesem Buch nicht erfahren - da ich mich aber bereits seit einer ganzen Weile mit der Thematik beschäftige, mag das für andere Leser ganz anders sein.


Aiko Kempen, Auf dem rechten Weg? Rassisten und Neonazis in der deutschen Polizei

Europa-Verlag, 2021

ca 240 Seiten, 20 Euro

  978-3-95890-350-0


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