Schuld und Ungleichheit

 Schuld, aber auch eine Gesellschaft voller Ungleichheit steht im Mittelpunkt von "Ungebetene Gäste" von Ayelet Gundar-Goshen, deren Roman in Israel und Nigeria spielt. Im Mittelpunkt steht die junge Mutter Naomi , die ganz auf ihren kleinen Sohn Uri fixiert ist. Als sie mit Uri von einem Spaziergang zurückkommt, findet sie in ihrer Wohnung einen arabischen Handwerker vor, der dort Renovierungsarbeiten ausführt. Naomi reagiert alarmiert, auch wenn der Mann ein harmloser Familienvater zu sein scheint. Aber er ist halt Araber!

In einem unbeaufsichtigtem Moment gerät Uri auf den Balkon - und schmeißt einen Hammer runter. Unglücklicherweise trifft er einen Passanten. Es ist ein Unfall, doch die Tatsache, dass das Werkzeug einem Araber gehört, sorgt für hysterische Reaktionen - es kann doch nur ein Terroranschlag gewesen sein! Naomi schweigt, statt das Missverständnis aufzuklären. Sie schweigt auch, als der Sohn des Mannes seinen Vater abholen will und auf der Straße fast von einem Mob gelyncht wird. Naomis Ehemann Juval rettet den Jugendlichen, den sie in sein Dorf zurückbringen. Auch dort schweigt Naomi, Juval ist voller Misstrauen angesichts der arabischen Umgebung, obwohl die Familie sie gastfreundlich aufnimmt.

Erst Tage später geht Naomi zur Polizei. Da ist der Handwerker schon von der Polizei verprügelt worden und ein nervöses Wrack. Die Ungleichheit der Lebensverhältnisse und Behandlung zeigt sich auch im anschließenden Prozess wegen fahrlässiger Tötung: Naomi, die einen versierten Rechtsanwalt hat, wird freigesprochen, der Handwerker, der nun einen Pflichtverteidiger hat, wird verurteilt.

Der Druck, der durch den Zwischenfall auf Naomi lastet, bleibt - auch als die kleine Familie nach Lagos zieht, wo Juval im Auftrag der nigerianischen Armee Schulungsaufgaben übernimmt. In einer kleinen israelischen Enklave lebt die Familie privilegiert, doch gleichzeitig mit ähnlich großen Unsicherheiten und Ängsten wie in Israel angesichts der hohen Kriminalität in der westafrikanischen Mega-Metropole.

"Ungebetene Gäste" wirkt auf den ersten Blick unspektakulär, das eigentliche Drama findet unter der Oberfläche der Protagonisten statt, die ganz vielfältig im Bann der Vergangenheit stehen. Das Psychodram befasst sich mit den gtroßen Fragen von Schuld, Sühne und Verantwortung..In Nebensträngen zeichnet die Autorin zudem Ungleichheiten und Konflikte in der israelischen Gesellschaft vor dem 7. Oktober auf - nicht nur zwischen Israelis und Arabern, sondern auch russische Einwanderer und äthiopische Juden, die Alltagsrassismus erleben, obwohl sie Bürger des Landes sind. 


Ayelet Gundar-Goshen, Ungebetene Gäste

Kein und Aber, 2025

320 Seiten, 25 Euro

9783036950631

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