Von Wölfen, Walen, Elefanten - "Die Intelligenz der Tiere"

#Sachbuch #Tiere #Natur #Verhaltenslehre #Naturschutz

Sind Tiere die besseren Lebewesen? So weit will sich Naturschriftsteller Carl Safina in seinem Buch "Die Intelligenz der Tiere" denn doch nicht vorwagen. Doch in mancher Hinsicht könnten sich Menschen Tiere durchaus als Beispiel nehmen....

Wer einen Hund oder eine Katze hat, ist sich oft ganz sicher: Der vierbeinige Lebensgefährte ist nicht irgendeine treudoofe Kreatur, er versteht seinen Menschen, spürt Freude oder Trauer, kann trösten, motivieren und Zuneigung zeigen. Der Naturschriftsteller und Meeresbiologe Carl Safina ist nicht nur Hundebesitzer, in seinem Buch «Die Intelligenz der Tiere» geht er auch der Frage nach, wie Tiere fühlen und denken.

Unter den Elefanten in Kenia, Wölfen im Yellowstone Nationalpark und Walen vor der nordwestamerikanischen Pazifikküste sucht Safina nach Fallbeispielen, spricht mit Biologen, Naturschützern und Forschern, die diese Tiere in ihrem Lebensraum oft jahrelang beobachten und häufig auch über das beruflich-objektive Interesse hinaus stark emotional mit ihnen verbunden sind
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Sind Tiere die besseren Lebewesen? Das wäre für Safina denn doch ein bißchen zu viel New Age-Philosophie. In Sachen emotionale Intelligenz, Sozialkompetenz und Teamfähigkeit hingegen können sie hingegen durchaus ein Beispiel geben. Safina beschreibt in seinem mit zahlreichen Schwarz-weiß Fotografien angereicherten Buch die Familienstrukturen von Elefanten mit ihren Matriarchinnen und den verheerenden Auswirkungen von Wilderei und Klimaveränderungen für die Zukunft der langlebigen grauen Riesen der Savanne.

In «Die Intelligenz der Tiere» werden mehr Fragen aufgeworfen als Behauptungen. Denn letztlich ist es die menschliche Interpretation, die nach Tierbeobachtungen den Tieren Trauer, Freude oder Liebe zuweist. «Trauern Elefanten wirklich? Und wie können wir das feststellen?» schreibt Safina. Und dennoch: wenn Tiermütter tote Jungtiere tagelang mit sich herumtragen, wenn Elefanten tote Familienmitglieder mit Zweigen bedecken, wenn gefangene Wale oder Delfine nach dem Verlust eines Artgenossen Nahrung verweigern oder Selbstmord begehen - ist das nicht mehr als ein rein instinktgesteuertes Verhalten?

Oder was hat es mit dem jahrhundertealten Hass vieler Menschen auf Wölfe auf sich, während doch Hunde seit Jahrtausenden der «beste Freund» und Begleiter des Menschen sind? «In der Vorstellung der Menschen werden Wölfe zum Sinnbild für all das Wilde und Ungezähmte», schreibt Safina. «Wir erkennen so viel von uns selbst in ihnen, dass wir auf Wölfe reagieren, als wären sie ein feindlicher Stamm oder Diebe.

Delfine und Wale wiederum üben nicht nur auf diejenigen, die mit TV-Delfin «Flipper» oder «Free Willy»-Filmen aufgewachsen sind, eine Faszination aus. Die Eleganz der Meeressäuger, ihre spielerisch erscheinende Neugier, die Geschichten über Delfine, die Menschen in Seenot oder vor Haiangriffen retteten - auch Naturforscher können sich dem offenbar nicht entziehen. «Manchmal beschließen Delfine, uns zu helfen» schreibt Safina. «Manchmal töten Menschen Delfine und leugnen, dass sie leiden. Wessen "Verstand" ist wohl höher entwickelt?»

Wenn das tatsächlich so ist - müsste der Mensch dann nicht das Verhältnis zumindest zu einigen Tierarten ganz neu überdenken? Doch auch gut gemeinte Schutzmaßnahmen können möglicherweise ins Gegenteil umschlagen, meinen einige der von Safina interviewten Tier-Experten. Das gilt etwa für die Walbeobachtung. Früher hätten die Forscher mit den Tieren regelrecht agiert. Mittlerweile sollen menschliche Einflüsse vermieden werden. Aber werden so nicht Kommunikationsschleusen geschlossen, die gegenseitiges Lernen und Verstehen verhindern? Denn, so Safina, Wale und Delfine scheinen an Menschen mitunter ebenso interessiert zu sein wie umgekehrt. Und wie lässt sich der "einseitige Waffenstillstand" erklären, da Wale und Delfine Menschen so gut wie nie angreifen?

Die Frage, wie hoch die Intelligenz von Tieren ist, lässt Safina letztlich unbeantwortet. In den Beschreibungen vieler Fallstudien und Beobachtungen von Tiergruppen kann der Leser zum eigenen Urteil kommen. Wichtig ist dem Autor dagegen das Plädoyer für Verständnis und Neugier für andere Lebewesen. Es sei kein Luxusanliegen, das Verhalten von Tieren zu verstehen: «Würden wir Tieren die Behandlung zukommen lassen, die sie verdienen, würde das unmenschliche Verhalten gegenüber unseresgleichen umso deutlicher ans Tageslicht treten.»

Carl Safina, Die Intelligenz der Tiere
C.H. Beck Verlag, München 2017
ca 520 Seiten, 26,95 Euro
ISBN 978-3-406-70790-2

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