Tiefseereise auf Bücherseiten - Robert Hofrichters "Im Bann des Ozeans"

#Wissenschaft #Natur #Meere #Ökologie #Tiere #Sachbuch

Irgendwann während eines Familienurlaubs an der nordadriatischen Küste, im damals noch existierenden Jugoslawien, muss es passiert sein: Ein kleiner österreichischer Junge ging mit dem Schnorchel auf Unterwasser-Erkundungstour - mit lang anhaltender Wirkung. Robert Hofrichter war fasziniert von der Welt jenseits der Wasseroberfläche, von den Pflanzen und Tieren, den bunten Fischen. "Im Bann des Ozeans" heißt denn auch sein Buch, dass den Leser mitnimmt auf eine Entdeckungsreise in die Tiefsee und zu Korallenriffen. Dass Hofrichter seit jenen Familienferien gebannt ist von der Meereswelt und dem darin enthaltenen Leben, das wird beim Lesen sehr schnell klar.

Hofrichter ist Biologe und Meeresforscher, aber in seinem Buch unternimmt der meeresbiologische Laie als Leser auch Ausflüge in andere naturwissenschaftliche Sparten. In den Kapiteln zur Entstehung der Ozeane, über die Kräfte, die auf das Meer einwirken und die Gebirge und Schluchten am Meeresboden sind auch Physik, Geologie oder Biochemie gefragt. Könnte also ganz schön kompliziert und schwere Lesekost werden, ist es aber nicht. Denn Hofrichter scheint nicht nur mit leichter Hand zu schreiben, er beschreibt die Zusammenhänge auch so, dass sie auch ohne ein einschlägiges Studium nachvollziehbar und verständlich, ja sogar unterhaltsam sind.

Als Leser erfährt man so manche Tatsache, die nicht nur als Erkenntnis bei Ratespielen für Aha-Effekte sorgen können - etwa, dass der Meeresspiegel gar nicht überall die gleiche Höhe hat und die Erde gar nicht so eine glatte Kugel ist, wie der klassische Globus uns glauben lässt. Dass alles Leben ursprünglich aus dem Meer kommt, weiß wohl so ziemlich jeder - die Entstehungsgeschichte des Lebens im Meer liest sich in Hofrichters Buch aber trotzdem interessant. Überhaupt - Leben, Fortpflanzung und Sex - da gibt es unter Wasser auch einige Variationen, die denn doch ziemlich überraschend sind. Etwa lebenslange Symbiosen, in denen die Partner buchstäblich miteinander verwachsen sind.

Mit einigen Mythen räumt  Hofrichter auf. Betrübt muss der Leser erfahren, dass Delfine nicht unbedingt die charakterlich einwandfreien Tiere sind, für die manche sie halten. Dafür sei die Dämonisierung der Haie eigentlich übertrieben. Superlative zu den Meeresbewohnern und ihrem natürlichen Element schildert Hofrichter durchaus launig und unterhaltsam. Selbst eine Unterwasser-Kiffer-Szene macht er aus: Es gibt Delfine, die an Kugelfischen knabbern, um sich ein high zu verschaffen.

Bei all diesen Anekdoten lässt Hofrichter aber auch die ernsten Tatsachen nicht aus, wie ökologische Gefahren, die Übersäuerung der Meere und die Auswirkungen des Klimawandels etwa für die hochsensiblen Korallenriffe. Die Bilanz der Rückkehr zum Schnorchelrevier seiner Kindheit fällt düster aus: Von der bunten Lebensvielfalt, die er als Zehnjähriger im Jahr 1967 erlebte, ist dort nicht mehr viel zu sehen.  Resignation ist dennoch der falsche Weg in den Augen von Hofrichter, der auch Präsident der Naturschutzorganisation Mare Mundi ist. Denn es gibt bereits viel versprechende Beispiele für die Rückkehr des Lebens und der Regenration in manchen Gebieten, die unter strengen Naturschutz gestellt werden.

Ganz ohne Ohrenploppen, Tauchgang und Salzwasser in den Augen merkt der Leser, welche Faszination die Unterwasserwelt ausübt. Die - eher sparsam dosierten - Farbfotos tragen dazu noch bei. Vielleicht ist im nächsten Urtlaub doch mal Schnorcheln fällig?

Robert Hofrichter, Im  Bann des Ozeans. Expeditionen in die Wunderwelt der Tiefe.
Gütersloher Verlaghaus, Müchen 2018
ca 235 Seiten,

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