Digitale Freiheit oder digitale Kontrolle? Der "Mensch 4.0"
#Sachbuch #Internet #Digitales #Gesellschaft
Nie war so viel Information so schnell, für so viele und so
kostengünstig verfügbar. Oder etwa doch nicht? In ihrem Buch „Mensch 4.0 - Frei bleiben in einer digitalen Welt“ geht
Alexandra Borchardt den Chancen, aber auch den Risiken der schönen neuen Welt
von Internet, Smartphone und künstlicher Intelligenz nach. Dabei kommen
Psychologen, Journalisten, Experten aus der Tech-Branche zu Wort.
Verteufelt werden Internet und der Gebrauch des Smartphones
keineswegs. Borchardt kritisiert aber die
Allgegenwart der Smartphone-Nutzung und die Bereitwilligkeit, mit der viele
Verbraucher und Nutzer von Apps ihre Daten zur Verfügung stellen, ohne zu
hinterfragen, wie viel sie von sich selbst preisgeben und ohne letztlich zu
wissen, wer letztlich Zugriff zu diesen teils sehr persönlichen Informationen
hat.
Eine Welt, die Dauer-Offline ist, das ist nicht der
Gegenentwurf dieses Buches, in dem viele Studien und Expertenmeinungen darüber
zusammengeführt sind, was der digitale Wandel mit den Menschen macht – gerade
mit denjenigen, die als digital natives keine Vergleichsmöglichkeit zu der
herkömmlich analogen Welt ihrer Eltern haben. Die 1966 geborene frühere
Journalistin kennt beides und plädiert für Ethik für Programmierer, die sich
mehr Gedanken machen müssten über die Macht der Algorithmen.
Borchardt warnt vor einem naiven Glauben, dass die Nutzung
der digitalen Chancen einen Zugewinn an Freiheit, an Freunden, an Zugang zu
Mitbestimmung hat. Hinter sozialen Netzwerken und Angeboten stecken schließlich
große Unternehmen – und die haben seit jeher Profit im Sinn und handeln nicht
aus reiner Menschenfreundlichkeit.
Mitbestimmung heißt ja auch nicht ein Like oder ein
Weiterleiten, das Unterzeichnen einer Online-Petition und Debatten im Netz, in
denen die Lautesten und die Extremsten die meiste Aufmerksamkeit finden. Die
permanente Selbststilisierung auf Instagram und Co führt nicht nur zur
Inszenierungssucht in einer Ich-Gesellschaft, sondern droht diejenigen in
Selbstzweifel zu stürzen, die das Gefühl bekommen, nur sie hätten nicht so ein
spannendes Leben wie die jungen, schönen Influencer oder jene, die sich dafür
halten.
Besonders kritisch geht Borchardt mit den
zwischenmenschlichen Verschlechterungen angesichts digitaler Reize um: Wenn
beim Ausflug mit dem Kleinkind der Blick auf das smartphone, nicht auf das Kind
gerichtet ist. Wenn beim Treffen mit Partner oder Freunden das Signal einer
neuen Whatsapp-Nachricht sofort die Aufmerksamkeit auf das Smartphone umschlägt
und signalisiert: Meine digitalen Kontakte sind mir jetzt wichtiger.
Das Internet sei nicht das Freiheitsinstrument, es habe auch
autoritären Staaten und Konzernen „das Tor zur totalen Kontrolle und
Zentralisierung geöffnet“, mahnt Borchardt.
Mensch 4.0 fasst viele Argumente der aktuellen Diskussion über die
digitale Gesellschaft zusammen und bietet Denkanstöße zum selbstbestimmten,
aber auch bewussten Umgang mit Internet und social Media, bei dem der Einzelne
seine Rechte auf Privatsphäre und Einfluss auf seine Daten-Präsenz in Anspruch
nimmt.
Alexandra Borchardt
Mensch 4.0 Frei bleibeb in einer Digitalen Welt
Gütersloher Verlagshaus, 2018
ca 250 Seiten
ISBN 978-3-579-08692-7
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