Tristesse im Osten - "Mit der Faust in die Welt schlagen"
#Belletristik #Literatur # Zeitgeschehen
Es geht aufwärts, so könnte man eigentlich meinen nach der ersten Seiten von „mit der Faust in
die Welt schlagen“. Die Mauer ist gefallen, die Menschen in der ehemaligen DDR
stehen vor einer neuen, anderen Zukunft. Einst lebten die Eltern von Philipp und Tobias
im typischen Plattenbaublock . Jetzt, wo
das zweite Kind da ist, wird am eigenen Haus gebaut. Klingt doch nach Erfolg,
oder?
Doch eine gewisse Tristesse durchzieht gleich das erste
Kapitel. Die Arbeit von einst gibt es nicht mehr, VEB war einmal, es herrscht
Verunsicherung, Stagnation, nicht jeder schafft den Anschluss an die neue
Arbeitswelt. Das ist die Welt, in die die beiden Brüder hineinwachsen, Anfang
des Jahrtausends.
Lukas Rietzschel begleitet das Bruderpaar durch ihre
Kindheit und Jugend in der jungen wiedervereinigten Republik. Verlassene
Steinbrüche sind wie ein Symbol der zusammengebrochenen Wirtschaft der
einstigen Staatsbetriebe. Zwischen Schrebergartenidylle und Dorffesten brodeln
Unbehagen, werden Aggressionen spürbar.
Da sind die umgeworfenen Wegkreuze der sorbischen
Minderheit, die als Katholiken ohnehin suspekt sind. Dann die
Hakenkreuzschmiererei auf einem Stein vor der Schule. Das Zeichen sagt Philipp
und Tobias gar nichts, doch die Reaktionen der Erwachsenen triggern die
Jungen. Die älteren Jungen, die vor
ihrer ehemaligen Schule rumhängen, Bier trinkend und ohne Perspektiven, werden
zu Rollenvorbildern. Die Wut, deren
Ursprung eigentlich gar nicht klar erkennbar ist, muss raus.
Erklärt „Mit der Faust in die Welt schlagen“ die
Verhältnisse im Osten Deutschlands zwischen Pegida und AfD-Hochburgen? In einer nüchtern-lakonischen Sprache
beschreibt Rietzschel eine Jugend, die vielleicht nicht reich an spektakulären
Höhepunkten ist, die aber auch nicht so verzweifelt und hoffnungslos erscheint,
dass Wut und Gewalt der einzige Ausweg zu bleiben scheinen. Zerbrechende Familien, Ärger mit den Lehrern,
Provinzleben ohne große Ereignisse – das gibt es doch auch anderswo. Als Psychogramm einer Familie ist der Roman
eindringlich und lässt den Leser zugleich mit Fragen zurück.
Lukas Rietzschel, Mit der Faust in die Welt schlagen
Ullstein Verlag, Berlin 2018
ca 320 Seiten
ISBN 978-3-550-05066-4
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