Ein besoffener Bär im Bergwerkswald - schwedische Provinzposse in der Youtube-Ära

#Schweden;  #Unterhaltung #Humor

Mitunter schwermütig, voll innerer Nabelschau, gesellschaftskritisch und mit einer gewissen depressiven Grundnote – so kennt der Leser Literatur aus dem hohen Norden. Petterimäkis Roman “Ein besoffener Bär im Bergwerkswald” ist all das nicht. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass der Autor der Schweden-Romans aus Finnland stammt. Da spielt dann vielleicht auch ein Stücl anarcho-Humor wie einst bei den “Leningrad Cowboys” mit rein.

Dabei hätte Per Danielson, Bürgermeister einer dahinschrumpfenden Gemeinde in einer brachliegenden ehemaligen Bergbauregion, durchaus Grund, Trübsal zu blasen. Die Gemeinde kommt wirtschaftlch nicht auf die Beine, immer mehr Einwohner wandern ab, sowohl die Töpferwerkstatt als auch die Pension, die seine Frau betreibt, liegen brach. Die schwer pubertierenden Kinder nehmen ihn nur noch als Ärgernis zur Kenntnis, wenn überhaupt. Immerhin, die Partei hat ihm einen Listenplatz für die nächsten Reichstagswahlen in Aussicht gestellt. Ist das der Ausweg aus der Tristesse?

Ein Familienausflug zur Pilzsuche in die heimischen Wälder sorgt für eine überraschende Wende. Plötzlich kracht etwas durchs Dickicht. Die Danielsons vermuten einen Bären und treten eine hastige Flucht an. Nicht allerdings, eher Bürgermeistersohn Emil die Erscheinung mit dem Handy gefilmt hat und später auf Youtube hochlädt. Damit wird eine irrwitzige Ereigniskette losgetreten, die den Provinzbürgermeister von einer Krise in die nächste treibt.

Das Ungeheuer aus dem Bergwald, ist nämlich nicht genau zu identifizieren und heizt gerade deshalb die Spekulationen abn. Hippies, Spiritisten und Skeptiker gleichermaßen machen sich auf den Weg in den Norden, wo sie einen schwedischen und landlebenden Verwandten Nessies vermuten, Der Tourismus erlebt einen ungewohnten Aufschwung und Bürgermeister Per wird von dem Chaos überrollt. Bald ist er der einzige, der sich wirklich um Aufklärung bemüht.

Schräge Charaktere, mitunter Slapstick und eine humorvoll-überspitzte Darstellung der Social Media-Hysterie prägen diesen Schweden Roman. Das ist unterhaltsam und trotz einiger vermeidbarer Längen eine gelungene Gesellschaftsatire der Ära von Youtube und Facebook. Bürgermeister Danielson tappt selbst wie ein unheholfener Bär durch die Fallstricke des Cyberage und sammelt gerade dadurch Sympathiepunkte. Ein Schwedenroman, der auch ohne Tristesse funktioniert.

Petteri Nuottomäki, Ein besoffener Bär im Bergwald
Harper Collins, 2018
304 Seiten, 14,99 Euro
ISBN 978-3959672030

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