Land unter im Paradies - Reportagen zum Klimawandel


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Wie zeigt sich der Klimawandel im Kleinen, für Weinbauern und Fischer, für Inselbewohner und Menschen, die in Regionen leben, in denen ohnehin schon Wassermangel herrscht? Dieser Frage ist die Historikerin und Autorin Susanne Götze in einer Sammlung von Reportagen nachgegangen. Ein Großteil der in Afrika, Europa, Amerika und dem Nahen Osten recherchierten Artikel ist nicht mehr ganz neu – einige von ihnen wurden bereits vor rund zehn Jahren veröffentlicht.

Götze sprach mit Kommunalpolitikern und Bauern, Wissenschaftlern, Umweltschützern, aber auch mit Leugnern des Klimawandels. Ihr persönliches Engagement und ihre eigene Betroffenheit über die Auswirkungen von Klimaveränderungen, über nur langsam greifende Anpassungsmaßnahmen werden nicht nur angedeutet, sie sind stellenweise geradezu plakativ. 

Darin liegt die Schwäche der Reportagesammlung, jedenfalls wenn die Grundregeln objektiver, an Tatsachen orientierter journalistischer Berichterstattung zugrunde gelegt werden.  Eben nicht Partei zu sein, nicht missionarisch das eigene Empfinden in den Vordergrund zu stellen – das kommt in fast allen Texten zu kurz.

Interessant zu lesen sind die Geschichten dennoch – etwa zur Bedrohung der Florida Keys, dem auch bei deutschen Touristen beliebten Urlaubsparadies, dem ähnlich „Land unter“ droht  wie etwa den Malediven. Hinzu kommt die Bedrohung durch tropische Stürme. Doch auch wenn Straßen und Häuser in Ozeannähe immer öfter überflutet sind, hält der Trend, am Wasser zu bauen, an.

Französische Weinbauen, die sich auf hitzeresistentere Rebsorten umstellen müssen, dürregeplagte Landwirte in Andalusien und Muschelsterben im Wattenmeer – im Vordergrund stehen die Konsequenzen des Klimawandels vor Ort, und dies im globalen Vergleich.  Dabei wird auch  deutlich, dass es neben Verlierern auch durchaus Gewinner gibt. So sehen Rentierzüchter im Norden Finnlands ihre Existenz zunehmend bedroht, während der Chef der finnischen Vertretung der EU-Handelskammer in Rovaniemi von eisfreien Handelsrouten durchs arktische Meer träumt und die Vision eines bis dahin ungeahnten Wirtschaftsaufschwungs der Stadt hat.

Dass auch der Emissionshandel, der ja Klimaschäden wiedergutmachen soll, schwerwiegende Auswirkungen haben kann, zeigt Götze an einem Beispiel aus Uganda. Allerdings bleibt sie bei einem Schwarz-Weiß-Schema (böse ausländische Investoren, die Land aufforsten und einheimische Bauern verdrängen), in dem nicht auf die Problematik von Landrechten in Afrika eingegangen wird, die häufig beim Staat oder beim örtlichen Chief liegen und auch das Problem von Entwaldung und Holzkohleproduktion überhaupt kein Thema ist. Und überhaupt - wie so viele Autoren, die zu einer Recherche in Afrika einfliegen, kann auch Götze nicht darauf verzichten, die Anstrengungen ihres Einsatzes zu überbetonen. Schlechte Straßen, kein Navi, und zwölf Stunden  durch den Busch gefahren...!

Wie sinkende Wasserspiegel von Grundwasser und Flüssen Konflikte in einem ohnehin angespannten Umfeld weiter anheizen kann, schildert Götze an der Situation im Nahen Osten, wo Israel, Jordanien und das Westjordangebiet in Konkurrenz zu den immer spärlicher werdenden Ressourcens stehen. Dass es künftig Konflikte um Wasser – bis hin zu Kriegen – geben könnte, ist auch in der Konfliktforschung längst ein Thema, nicht nur im Nahen Osten.

Für alle,  die sich auch für die Zahlen hinter den  Reportagen interessieren, gehört zu jedem Text ein Hintergrundkasten, in dem unter anderem der Kohledioxid-Ausstoß pro Kopf der Bevölkerung, Klimaziele, Anteil erneuerbarer Energien und die Bevölkerungsentwicklung des jeweiligen Landes aufgelistet sind.

Susanne Götze, Land unter im Paradies. Reportagen aus dem Menschenzeitalter
oekom-Verlag, München 2018
ca 200 Seiten,  16 Euro
ISBN 978-3-96238-053-3

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