Lebensreise zwischen Ost und West - "Es war einmal im Fernen Osten"
Mit
ihrer Autobiografie „Es war einmal im Fernen Osten“ hat die
chinesische Filmemacherin und Schriftstellerin Xiaolu Luo eine
Lebensgeschichte zwischen Ost und West, vom China Maos und dem
rasanten Wandel seit seinem Tod, von Heimatlosigkeit, Kulturschock
und Sprachlosigkeit geschrieben.
Dabei
bleiben einige Widersprüche ungelöst, wenngleich das Buch einen
faszinierenden Blick auf die chinesische Gesellschaft ermöglicht zu
einer Zeit, in der China von derAußenwelt weitgehend abgeschlossen
war und das Leben in der Provinz zeigt, weitab der Metropolen wie
Peking oder Guangxhou.
Das
Grundwesen einer Autobiogafie ist auch ihre Schwäche – das gilt
auch in diesem Fall. Denn wenn ein Autor oder eine Autorin den Wunsch
hat, das eigene Leben in den Mittelpunkt eines Buches zu stellen,
spielt da immer auch eine gewisse Eitelkeit und Selbstzentriertheit
mit. Dabei ist es im Fall Guos ja keineswegs so, dass ihre
vorangegangenen Bücher losgelöst von ihren eigenen Erfahrungen
waren, im Gegenteil. Ihre Romanheldinnen waren offenbar meist ihr
literarisches Alter Ego, verarbeiteten die Erfahrungen, die sie auch
in ihrem eigenen Leben gerade machte.
So
kommt Guo irgendwie nicht umhin, sich bereits in den
Kindheitserinnerungen als diejenige herauszustellen, die schon immer
herausstach, anders und unverstanden war, anscheinend schon im Alter
von fünf Jahren vom Ausbruch aus dem Fischerdort träumte, in dem
sie bei ihren Großeltern lebte.
Als
Außenseiterin, als Bauernmädchen aus der Provinz stellt sie sich
dar – dabei war ihr Vater in seiner Provinz offenbar ein
anerkannter und gefeierter Staatskünstler. Ein
Mutter-Tochter-Konflikt prägt ihr Leben, dabei wirft sie ihrer
Mutter Lieb- und Verständnislosigkeit sowie Mangel an Empathie vor.
Bei der Schilderung der letzten Begegnung mit der unheilbar
krebskranken Mutter kommt der Eindruck auf: Das war nicht nur
einseitig der Fall.
Vieles,
worüber ich gerne mehr erfahren hätte, bleibt angerissen – etwa
die Konsequenzen der Ein-Kind-Poliik und der Bevorzugung von Söhnen.
Gewiss, es ist davon die Rede, dass weibliche Säuglinge ausgesetzt
oder getötet wurden, doch gab es noch andere Mädchen, die wie Guo
aus der Familie abgeschoben wurden? Wie zeigte sich der
unterschiedliche Umgang mit Jungen und Mädchen in der Schule, beim
Heranwachsen? Welche Diskussionen wurden in der Generation geführt,
die nach 1989 aufwuchs und studierte? Mit welchen Hoffnungen waren
und sind für die jungen Menschen Veränderungen in China verbunden?
Nur allzu oft beginnt und endet all dies mit dem Blick auf sich
selbst und sehr wenig dazwischen.
Vergleichswaeise
knapp, auf etwa 80 Seiten, wird das Leben in Westen, die Suche nach
einer neuen Sprache und nach einem neuen Ort, der sich als Zuhause
anfühlt, geschildert. Nach den teils sehr ausführlich geratenen
Kindheits- und Jugenderinnerungen eine seltsame Hast, denn gerade das
Spannungsfeld zwischen Weggehen und Ankommen, zwischen Sprachen und
Kulturen, mit einer Neuerfindung als Künstlerin, die in einer neuen
Sprache ihren Ausdruck findet wäre es spannend gewesen, hier mehr zu
erfahren.
Xiaolu
Guo, Es Es war einmal im Fernen Osten
Knaus
Verlag, München 2017
366
Seiten
ISBN
978-3-8135-0769-0
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