Wovon Du nichts ahnst - Psychothriller um gestohlene Identität

Sarah Havenants Leben ist eigentlich in schönster Ordnung: Ihre Arbeit als Ärztin, das Familienleben, Freundschaften, Ausflüge ans Meer. Erst die Facebook-Freundschaftsanfrage einer ehemaligen Mitschülerin wirft einen Schatten in die Kleinstadtidylle an der amerikanischen Ostküste – denn erst durch die Frage, welches Profil denn das richtige ist, erkennt Sarah, dass es noch ein weiteres Profil von Sarah Havenant gibt, mit Bildern aus ihrem Zuhause, ihrem Alltag.

Erst glaubt die Ärztin an einen Scherz, der nicht besonders komisch ist. Doch wer kann sie unbeobachtet so genau verfolgen? Wer versucht, ihre Identität zu stehlen? Wer schickt Bücher über bipolare Störungen und Selbstmordprävention? Sarahs Leben gerät aus den Fugen – und nicht nur das, sie scheint im raffiniert-tückischen Netz eines unbekannten Stalkers gefangen. Ihr eigener Mann weiß nicht mehr, ob Sarah unter Verfolgungswahn leidet oder womöglich mit diesen Aktionen Aufmerksamkeit sucht.

Mit „Wovon du nichts ahnst“ hat Alex Lake einen spannenden und teils dramatischen Psychothriller geschrieben, der zeigt, wie das innere Gleichgewicht und das Leben einer Frau völlig aus den Fugen gerät, ohne dass sie scheinbar etwas dagegen tun kann. Rationale Erklärungen greifen nicht gegen einen unsichtbaren Gegner – vor allem, wenn das Vertrauen selbst der eigenen Familie in Sarah ins Wanken gerät, wenn sie alles und jeden verdächtigt, sich mit gegen sie verschworen zu haben.

Ein wenig erinnert der Spannungsbogen an Hitchcock-Klassiker – ein ganz normaler Mensch gerät plötzlich in eine extreme Situation. Sarah ahnt, sie muss gegen das Böse kämpfen, doch worum es sich dabei genau handelt, das muss sie erst einmal herauskriegen. Die Angst vor Kontrollverlust, das immer schwerere Ringen um Vertrauen, die verzweifelten Versuche, Unerklärliches zu erklären – es ist das leise subtile Grauen des Alltags, dass an Sarahs Nerven zerrt und auch den Leser in den Bann ziehen kann.

Dass ein grausames Spiel mit Sarah getrieben wird, weiß der Leser im Gegensatz zu Sarahs Umfeld, denn immer wieder werden die Überlegungen des unbekannten Stalkers eingeschoben, mit dem klaren Ziel: Sarah soll vollständig zermürbt und zerstört werden. Der psychologische Druck, unter dem Sarah steht, die wachsende Isolation, sind nachvollziehbar und es fällt schwer, das Buch aus der Hand zu legen, während die Frage besteht – was ist die nächste Stufe der Eskalation in diesem psychologischen Katz-und-Maus-Spiel, an dessen Ende es offenbar nur eine/n geben kann?

Alex Lake, Wovon Du nichts ahnst
Harper Collins, 2018
434 Seiten, 11, 99 Euro
ISBN 9783959678148

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