Von Hass-Mails und Diplomatie - "Blutige Zeilen"

Als Diplomatin ist Astrid Sammils, die Hauptfigur in Ingrid Hedstöms Roman "Blutige Zeilen" Konfliktmanagement ud heikle Themen gewöhnt. Doch als eine gute Freundin nach dem Selbstmord ihres Mannes spurlos verschwindet und Astrid verstörende Hassmails erhält, gerät ihr Leben den doch etwas aus den Fugen. Nichtsdestotrotz muss sie sich um den Besuch des US-Präsidenten und den protokollarisch perfekten Ablauf des anstehenden Thronjubiläums kümmern.

Das Amt der Protokollchefin füllt die Karrierediplomatin, die sich zuvor mit den Menschenrechten auf dem Balkan oder Gewalt gegen Frauen befasst hat, eher ungern aus. Zu gern möchte sie sich wieder ernsten, "richtigen" Themen widmen. Doch die Außenministerin will Astrid ein wenig außerhalb des öffentlichen Focus halten, solange ein Schlüsselroman, den Astrids Ex-Mann geschrieben hat, die öffentliche Aufmerksamkeit genießt. Obendrein hatte die Ministerin selbst einmal was mit dem Ex - eine schwierige Konstellation also selbst für eine Frau, die das glatte diplomatische Parkett gewohnt ist.

Allerdings hat Astrid sehr bald noch anderes im Kopf als die korrekte Reihenfolge von Begrüßungen, Sitzordnungen und Staatsbanketts, denn auf ihrem Grundstück wird die Leiche eines jungen Rumänen gefunden. Als dann auch noch der Bruder ihrer guten Freundin ermordet gefunden wird, versucht auch Astrid, die Hintergründe zu erhellen. Zudem forscht sie zusammen mit ihrem Lover, einem isländischen Geschäftsmann, auch in eigener Sache: Wer schickt ihr Hassmails mit offensichtlich frauenverachtenden Gewaltphantasien? Hat das auch etwas mit dem Verschwinden ihrer Freundin zu tun?

Gewalt gegen Frauen in Worten und Taten - das ist ein zentrales Thema dieses Schwedenkrimis. Die Rückzugsgefechte des Patriarchats sind in diesem Fall blutig und voller Hass auf selbstbewusste Frauen, die ihren eigenen Weg gehen. Doch nicht alle Schurken sind Männer und nicht alle Männer werden als Brutalos und Frauenhasser beschrieben - da verzichtet die Autorin auf plakative Schwarz-Weiß-Malerei.

Mit Astrid und ihren Freundinnen werden sehr unterschiedliche Frauenfiguren vorgestellt, die gleichwohl eine solidarische Gemeinschaft bilden. Zickenkrieg findet nur auf diplomatischer Ebene statt - wie gesagt, die Außenministerin und Astrid haben mit dem Ex mehr gemeinsam, als ihnen vermutlich lieb ist.

Ein bißchen schwedisches Brauchtum und Folklore ist in den spannenden und gut lesbaren Schwedenkrimi eingearbeitet, gewissermaßen eine gute Vorbereitung zum eigenen Besuch zur Mitsommerzeit. Mit dem zentralen Thema Hate Speech und der kleinen, aber radikalen Minderheit von Männern, deren Angst vor starken Frauen in Gewalt umschlägt, ist "Blutige Zeilen" nicht nur eine spannende Lektüre für Frauenbewegte.

 Ingrid Hedström, Blutige Zeilen
Piper Verlag 2019
448 Seiten, 11 Euro
ISBN  978-3-492-31155-7

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