Oh wie so reißerisch.... "Staatsfeind"

Der Klappentext klang spannend: Ein ehemaliger Elitesoldat wird von einem alten Kameraden kontaktiert und in ein ungeheuerliches Komplott eingespannt, dass bis hinein in die höchsten Ebenen von Politik, Finanzwesen und Sicherheitskreisen hineinreicht. "Wenn Iwo sie stoppen will, muss er sich entscheiden: Opfere ich mich selbst, oder opfere ich alle anderen?" lautet die Frage, der sich der ex KSK-Soldat Iwo Rezick in Veit Etzolds Thriller "Der Staatsfeind" stellen muss.

Dass Verschwörungen ein dankbares und auflagenträchtiges Thema sind, wussten ja auch schon Dan Brown und Robert Ludlum für sich zu nutzen.  Nach der Lektüre des mehr als 450 Seiten langen Buches bleibt allerdings zumindest bei mir ein übler Nachgeschmack zurück. Ein reißerischer Thriller, das ist das eine. Und so geht es hier um eine Verschwörung, bei der sich rechtsradikale Kreise, Erben alter und mittlerweile verstorbener Nazis, mit Islamisten eines neuen Kalifats verbünden. Gemeinsames Ziel: Die Zerstörung Deutschlands von innen und Übernahme der Macht. Politik schafft bekanntlich manchmal seltsame Bettgefährten. Ein brutaler Russe für die Drecksarbeit darf natürlich auch nicht fehlen. So weit, so reißerisch.

Doch nicht nur die Verschwörer, auch die "Guten" dürfen Seite für Seite den Untergang Deutschlands durch "unkontrollierte Migration"  heraufbeschwören, das Schreckgespenst der multikulturellen Gesellschaft als Zerstörung des deutschen Gesellschaftswesens wird  gebetsmühlenartig wiederholt und auch die Vermutung, dass die Öffnung der Grenzen 2015 eine Art bewussten Angriffs der Kanzlerin auf den Staat gewesen sei, findet sich gleich mehrmals in den Gedanken und Gesprächen des einsamen Helden.

Wenn ein Politthriller wie eine Aneinanderreihung der Stereotypen und Parolen klingt, die eher an Pegida- und AfD-Veranstaltungen erinnern, ist das nicht spannend, nicht unterhaltsam, sondern irgendwann nur noch ärgerlich und nervig - jedenfalls für mich. Falls Etzold als Leserschaft die Gruppe der "alten weißen Männer" im Hinterkopf hat, dürfte die Zielgruppe sich in ihrem Weltbild bestätigt sehen. Männerbünde, Männerkameradschft, einsame Helden in Uniform  prägen das Buch, lediglich die Staatschutz-Hauptkommissarin Judith Richter darf als weibliche Hauptperson Ermittlungsarbeit leisten. Allerdings wirken gerade die weiblichen Figuren nicht sonderlich überzeugend.

Mein Fazit: Mehr Ärgernis als Unterhaltung.

Veit Etzold, Staatsfeind
Droemer Verlag, München 2019
460 Seiten, 10,99 Euro
ISBN 978-3-426-30668-0


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Slow Horses im Schneegestöber - Mick Herron glänzt erneut

Kinderwunsch - aber koscher!

Das Leben kommt immer dazwischen