Vor Hitzewellen und Starkregen - ist Extremwetter die neue Normalität?

Als Klimawissenschaftlerin in Oxford ist Friederike Otto trotz Philosophiestudium nicht gerade im Elfenbeinturm reiner Wissenschaft stecken geblieben. Im Gegenteil - als Mitbegründerin der "attribution science" - die deutsche Bezeichnung Zuordnungswissenschaft klingt ähnlich sperrig - setzt sie auf ein Tempo, das für die klassische Arbeit an wissenschaftlichen Fachveröffentlichungen beängstigend erscheinen mag. Aber dann: Mit den Schwerpunkten Klimawandel und Extremwetter befasst sie sich mit einem Thema, das selbst an die Geschwindigkeit einer losgetretenen Lawine erinnert. Ihr Buch "Wütendes Wetter" stellt diese Arbeitsinhalte nun auch interessierten Laien von.

Zugegeben: Die Erläuterungen zu Forschungsmethodik und Entwicklung dieses speziellen Wissenschaftszweigs sind ein bißchen langatmig, und die Vorliebe der Autorin für Gendersternchen macht das Ergebnis nicht gerade lesefreundlicher. Doch im weiteren Verlauf des Buches lohnt sich das Durchhalten, wenn es um Klimagerechtigkeit, loss and damages, Anpassungsmaßnahmen und vor  allem um die Frage geht: Ist das, was wir in der jüngsten Vergangenheit als Extremwetterlagen erlebt haben, noch ein Ausnahmeereignis, oder die neue Normalität, mit der wir umgehen müssen? Wo zeigt sich beim Wetter bereits der Einfluss des Klimawandels, und wo spielen andere Faktoren eine Rolle?

Denn da muss durchaus unterschieden werden, das betont auch Otto nach rund 200 Studien zu Extremwetter: "Denn auch ein heißer Sommer ändert nichts an der Tatsache, dass Wetter nicht Klima ist und der Klimawandel nicht in jedem Wetterereignis deutlich zu sehen." Nicht in jedem - doch die Studien zeigen Otto zufolge auch, dass der Klimawandel in den untersuchten Fällen von Hitzewellen, Dürren, Extremregen und Überschwemmungen "etwa zwei Drittel verstärkt oder wahrscheinlicher gemacht hat". Extremwetter als Erfüllungsgehilfe des Klimawandels verändere so auch in Mitteleuropa den Alltag der Menschen. So habe der Klimawandel Hitzewellen am Mittelmeer hundertmal wahrscheinlicher gemacht.

Dabei bleibt das Buch erfreulich aktuell und berücksichtigt auch jüngste Ereignisse wie den Hitzesommer 2018 - nicht gerade selbstverstänlich angesichts der Vorbereitung, die sowohn wissenschaftliche Studien als auch Bücher benötigen. Dass nicht überall dort, wo sich das Wetter drastisch ändert, der Klimawandel der Hauptschuldige ist, sondern eben auch menschliche Eingriffe wie beipielsweise Abholzung von Wäldern, Baumaßnahmen in Flussniederungen oder Dammbauten, die zusätzlichen Druck aufbauen, verhatmlost nicht den Klimawandel, sondern zeigt eben auf, dass es noch zahlreiche andere Baustellen gibt, an denen Regierungen, Wissenschaftler und Öffentlichkeit genauer hinschauen müssen.

Dass das Buch dabei gelegentlich zu einem Kreuzzug für die Zuordnungswissenschaft gerät - geschenkt, Anregungen zum Nachdenken bietet es durchaus reichlich. auch wenn es auf die Frage: Was kann der Einzelne tun? letztlich keine neuen Antworten gibt. Aber die Tatsache, dass  der ressouurcenverschlingende Lebensstil gerade in den Industriestaaten nicht gerade nachhaltig und klimafreundlich ist, dürfte heutzutage ja ohnehin hinreichend bekannt sein. Trotzdem nicht nur für die #FridaysForFuture-Generation  ein Buch, das in die Zeit passt.


Friederike Otto, Wütendes Wetter
Ullstein, 2019
240 Seiten, 18 Euro
ISBN-13 9783550050923

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