"Der Tod der Wahrheit" - Abrechnung mit dem Trump Amerikas

Michiko Kakutani war jahreland die oberste Buchkritikerin der New York Times - vom Renommee ist das vermutlich in Deutschland nur zu vergleichen mit der Rolle von Marcel Reich-Ranicki für die Literaturkritik. Pulitzerpreisträgerin, und nun selbst Autorin: Ihr Buch "Der Tod der Wahrheit: Gedanken zur Kultur der Lüge" ist eine Abrechnung mit dem Amerika Trumps, mit wissenschaftsfeindlichem und unkritischen Denken, mit trollartiger Polemik, Fake News  und politikhöriger Hofberichtserstattung.

Die einzige denkbare Gemeinsamkeit zwischen Kakutani und Trump dürfte sein, dass beide in New York zu Hause sind. Ansonsten dürfte sie vieles von dem verkörpern, was er und seine Anhänger verabscheuen: Die aufgeklärte, intellektuelle, Ostküstengesellschaft, Lust an der Argumentation, belesen, scharfsinnig und scharfzüngig, Verfechterin von Werten und Positionen, die die Trump-Administration zu verdrängen und abzubauen versucht - sei es die Gesundheitsreform Obamas, sei es eine Klima- und Energiepolitik, die Umweltschutz und Bekämpfung des Klimawandels in den Vordergrund stellt, sei es humanitäres Denken.

Dass Trump nicht Kakutanis Präsident ist, dürfte nicht weiter erstaunen. Ein Präsident, dessen Unwillen zu lesen Fragen aufwirfr, wie er sich eigentlich zu wichtigen Themen informiert, muss ein rotes Tuch sein für eine Frau, die ihr berufliches Leben der Analyse von Büchern gewidmet hat. Als Kandidat wie als Präsident habe er "neuen Sprengstoff in die gesellschaftlichen und politischen Bruchlinien" gegossen, kritisiert sie Trump, aber auch jene Vertreter der Republikaner, die sich hinter ihm sammelten und "seinen Lügen, seiner Ablehnung von Fachkenntnissen und seiner Verachtung für viele Ideale, auf denen Amerika gegründet wurde, ein rationales Gewand" gaben.

Doch gleichzeitig verweist Kakutani darauf, dass viele Probleme nicht mit Trump begonnen haben, dass die Bush-Administration etwa schon in der Vorbereitung des Irak-Krieges die Öffentlichkeit im eigenen Land wie in der Welt belogen hatte - Man denke nur an die Behauptung über irakische Massenvernichtungswaffen.

Kakutani greift in ihren Essays über neue Kulturkämpe, Narzissmus und Postmoderne, auf Philosophen und Schriftsteller, Wissenschaftler und Politologen zurück, zitiert Hannah Ahrendts Gedanken zu totalitärer Herrschaft, Stefan Zweigs Erinnerungen über die Verharmlosung des znehmenden Faschismus, oder Viktor Klemperer über den Einfluss des Totalitarismus auf die Alltagssprache.

Wirklich Neues über das Amerika und die Sprache Trumps gibt es in "Tod der Wahrheit" nicht zu erfahren, doch die polemische Auseinandersetzung  mit der politischen Kultur, die diesen Präsidenten hervorbrachte, zu Diskursen und historische Vergleiche mit Machtmissbrauch im 20. Jahrhundert machen dieses Buch - eigentlich eher eine Sammlung von Essays - lesenswert. Zugleich ist das Buch ein Plädoyer für die Auseinandersetzung mit Sprache, mit Gedanken - und natürlich mit Büchern.

Michiko Kakutanu, Der Tod der Wahrheit:Gedanken zur Kultur der Lüge
Klett-Cotta, 2019
197 Seiten,  20 Euro
ISBN 978-3-608-96403-5


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