Der traurige Kommissar und der tote Kardinal

Auf den ersten Blick ist Rafik Schamis Buch "Die geheime Mission des Kardinals" ein Kriminalroman. Schließlich wird - welch ein Skandal! - die Leiche eines römischen Kardinals in einem an die italienische Botschaft in Damaskus gelieferten Fass mit Olivenöl gefunden. Ein Fall, vielleicht der letzte große Fall, für den melancholischen Kommissar Barudi, wenige Monate vor seiner Pensionierung. Die vatikanische Botschaft  gibt sich zugrknöpft. Barudi, der zur christilichen Minderheit in Syrien gehört, bekommt über private Kontakte heraus, dass der Kirchenfürst in geheimer, komplizierter Mission unterwegs war.

Diplomatie und Diskretion sind gefragt bei der Aufklärung dieses Falles, der schnell auch internationale Irritationen auslösen könnte. Wurde der Tat von Islamisten ermordet, gibt es persönliche Motive und warum soll der Kardinal zu einem muslimischen Bergheiligen Kontakt gesucht haben?

Barudi, dieser leise, einsame und Gerechtigkeit liebende Mann, ahnt: Dieser Fall dürfte sich als harte Nuss erweisen. Doch der Mord an einem Gast seines Landes geht dem Kommissar persönlich nahe. So etwas ist barbarisch, findet der Mann mit dem gut ausgeprägten Ehrsystem, das ihm die Arbeit in seinem Land nicht gerade einfacher macht. Dass er als Staatsbeamter kein Parteimitglied ist, hat die Karriere des integren Beamten gebremst. Immerhin, sein Chef, Cousin des Präsidenten, hält schützend die Hand über ihn. Und auch das mag nicht ausreichen, denn der Präsident hat zahlreiche Cousins, auch solche, die beim Geheimdienst arbeiten.

So ist "Die geheime Mission des Kardinals" eben nur vordergründig ein Kriminalroman. Viel mehr geht es um das Leben in einer Diktatur, in einem Land, in dem Korruption und Vetternwirtschaft den Alltag prägen, wo das Misstrauen groß und die Zahl vertrauenswürdiger Kollegen, Nachbarn, Freunde überschaubar ist. Rafik Schami klagt an, aber auf die leise, nachdenkliche Art seines Kommissar, der nur seinem Tagebuch seine tiefsten Gedanken anvertraut, auf Rat eines Freundes. Ein Tagebuch schließlich kann im schlimmsten Fall nicht gefoltert werden und nichts verraten - vorausgesetzt, es ist gut versteckt.

Eine traurige Liebeserklärung an die syrischen Menschen steht zwischen den Seiten des in Damaskus geborenen Autors, der jetzt schon den größten Teil seines Lebens in Deutschland lebt: "Sind das diese armseligen Menschen, die durch die Straßen rennen, als seien sie Ameisen? Aber hat man jemals Ameisen gesehen, die das Bild einer einzigen Ameise hochhalten? Gehören wir Menschen unter einer Diktatur also zu einer Gattung, die noch primitiver ist als die Ameisen?"

Wenn Barudi und sein italienischer Kollege Mancini zusammen ermitteln, entsteht auch so etwas wie eine Männerfreundschaft zwischen zwei Menschenn, die sich immer für die Gerechtigkeit einsetzen wollten und von Lebenswirklichkeiten eingeholt wurden, die das mitunter zunichte machten - und die dennoch nicht aufgegeben haben.

Nachdenklich-melancholische Töne hat Schamis Roman, zugleich malt er Bilder von engen Altstadtgassen und auf dem Staub von Amtsstuben, lässt Gerüche von Kardamon und Falafel aufsteigen, strotzt von Farben und Stimmungen und kleinen Begebenheiten, die die Menschlichkeit der einfachen Leute auch unter schwierigen Bedingungen zeigen. Ein gleich in mehrfacher Hinsicht spannendes Buch.

Rafik Schami, Die geheime Mission des Kardinals
Hanser Verlag, 2019
430 Seiten, 26 Euro
ISVB 978-3-446-26379-6

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