Die Zauberlehrlinge - von Recht, Unrecht und der Frage nach Menschlichkeit

Es war eine Entscheidung, die bei mir  seinerzeit tatsächlich mal Stolz ausgelöst hat auf die deutsche Regierung: Die Entscheidung, den meist aus Syrien kommenden Flüchtlingen die Grenzen zu öffnen. Willkommenskultur wurde ein neuer Begriff und das vielleicht im Rückblick etwas naive "Wir schaffen das!" zu einer irgendwie optimistischen Botschaft.

Wie lange scheint das mittlerweile her! Mittlerweile lassen sich mit Angst vor Fremden ziemlich gut Wählerstimmen generieren und viele derjenigen, die damals die Willkommenskultur teilten, sind verunsichert. Natürlich ist es eine ziemliche Herausforderung, eine so große Zahl von Menschen aus einem ganz anderen Kultur- und Sprachraum in der Gesellschaft zu integrieren. Natürlich gibt es  Konflikte. Natürlich kommen außer denen, mit denen man sich vorbehaltlos solidarisieren will, auch solche, die man lieber nicht als neue Mitbürger haben will.

In dem Buch "Die Zauberlehrlinge" von  Stephan Detjen und Maximilian Steinbeis geht es nur am Rande um diese veränderte Wahrnehmung. Sie setzen den Schwerpunkt auf der "Rechtsbruch"-These, die nicht nur bei AfD-Anhängern beliebt ist: Die Bundesregierung habe geltendes Recht gebrochen, als sie 2015 einer Million Menschen den Weg nach Deutschland öffnete. Dabei wird ziemlich akribisch aufgezählt, wer wann wen beflügelte, Argumente lieferte und die angebliche "Herrschaft des Unrechts" in die Diskussion bracht. Doch wem nützt dieser Mythos vom Rechtsbruch - und gefährdet er die Demokratie in Deutschland?

Der Leser erfährt ziemlich viel über juristische Kreise, über die besondere Spezies der Staatsrechtler, über Flügelkämpfe unter Juristen und den Niedergang von Medienlandschaft und Debattenkultur, wo immer weniger internationale und juristische Analysefähigkeit gefragt sind. Dass das dann auch eine Auswirkung auf die Art der öffentlichen Debatten hat, ist nachvollziehbar.

Unrecht habe in der Flüchtlingskrise durchaus geherrscht, so die Autoren: "Ein Staat nach dem anderen hatte unter dem Druck der Krise aufgehört, den Flüchtlingen ein Verfahren, Rechte und Zugehörigkeit zu gebe und sie stattdessen in schlammverkrusteten Zeltlagern sich selbst überlassen bzw. busweise nach Westen weitergewunken, wo auf Verfahren, Rechte und Zugehörigkeit noch zu hoffen war. Wie Dominosteine war die Herrschaft des Rechts in einem Staat nach dem anderen entlang der Balkanroute umgefallen"

Wie bei juristischen Texten nicht unüblich, liest sich "Die Zauberlehrlinge" zeitweise sperrig. Aufklärend und informativ ist das Buch trotzdem. Die wesentliche Schlussfolgerung gilt nicht nur für juristische Fachdiskussionen: Es gibt Themen, die sind zu wichtig, um sie Geschichtenerzählern zu überlassen.

Stephan Detjen, Maximilian Steinbeis, Die Zaublerlehrlinge
Klett Cotta 2019
263 Seiten, 18 Euro
ISBN: 978-3-608-96430-1

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Slow Horses im Schneegestöber - Mick Herron glänzt erneut

Kinderwunsch - aber koscher!

Das Leben kommt immer dazwischen