Psychologische Spannung mit vielen Wendungen - die Wälder

Ein dichter, dunkler Wald voller Geheimnisse und düsterer Warnungen - dass ist der Stoff, aus dem die Märchen sind. In "Die Wälder" schickt Melanie Raabe ihre Protagonistin Nina zurück in das von dichten Wäldern umgebene Dorf ihrer Kindheit, um ein 20 Jahre zurück liegendes Geheimnis zu klären und dabei auch den Dämonen ihrer eigenen Vergangenheit entgegen zu treten.

Mitten im Karneval erhält die junge Ärztin Nina eine schreckliche Nachricht: Tim, ihr bester Freund, ist tot. Erst kurz zuvor hatte er ihr noch eine Nachricht geschickt, dass er in das Dorf ihrer Kindheit zurück gekehrt sei und "das letzte Puzzlestück" gefunden habe. Es geht um das Verschwinden seiner Schwester Gloria, die seit 20 Jahren vermisst wird. Eigentlich wollte Nina nie wieder in das Dorf zurück kehren. Nun aber fühlt sie, dass sie nicht nut für Tims Beerdigung dorthin fahren muss, sondern auch für den toten Freund das Rätsel um die vermisste Gloria zu lösen hat. David, ein weiterer Kindheitsfreund, inzwischen Polizist, erklärt sich unwillig bereit, ebenfalls mit zu kommen.

Ein anderer Handlungsstrang erzählt die Geschichte von vier Kindern, eine verschworene kleine Bande in eben jenem Dorf. Sie beobachten den seltsamen, unheimlichen Mann, der auf einem Schrottplatz lebt, mit den übrigen Dörflern wenig zu tun hat und den sie fürchten. Sie sind sicher: Der Mann hat ein finsteres Geheimnis - vor allem, als sie eine Menge Blut im Wald finden, an einem Ort, an dem sie auch den Mann mit einem Mädchen gesehen haben, das später verschwunden ist. Sie beschließen, ihm hinterher zu schnüffeln.

Eben diesem Mann - passend zum Wohnsitz im finsteren Wald heißt er auch noch "Wolf" verdächtigte auch Tim eines Verbrechens. Doch Tim ist tot, angeblich durch eine Überdosis, kurz danach stirbt auch seine Mutter. Nina ist beunruhigt - hat sie es hier mit einer doppelten Tragödie zu tun, oder ist eine Familie ausgelöscht worden? Sie beschließt, Wolf mit allen Mitteln zum Reden zu bringen, koste es, was es wolle.

Melanie Raabe spielt in "Die Wälder" mit Kindheitsfantasien und -traumata, mit dem Ballast, den Erwachsene aus ihrer Kindheit als buchstäbliche Last durch ihr Leben schleppen. Die Spannung dieses Buches ist stets auch psychologisch. Man ahnt das leise Grauen, das mit Alpträumen in Kinderzimmer kriechen kann, auch wenn die Autorin ihre Leser beziehungsweise Hörer mit geschickten Winkelzügen immer wieder mit  neuen Wendungen konfrontiert und neue Fragen aufwirft.  Die Vielschichtigkeit der Erzählung, in der die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart fließend zu sein scheinen, spiegelt sich in der Hörbuchversion durch gleich zwei Erzählerinnen wider - einmal Theaterschauspielerin Anna Schudt, einmal die Autorin selbst. Für Überraschungen ganz jenseits des klassischen "Whodunit" ist bei "Die Wälder" bis zum Schluss imer wieder gesorgt.

Melanie Raabe, Die Wälder
Gelesen von Anna Schudt und Melanie Raabe
Der Hörverlag, 2019
ca 8.57 Stunden
978-3-8445-537079

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