Von Wissen, Macht und Unterdrückung - Verbotenes Wissen

Wissen ist Macht, so heißt es bekanntlich. Und aus eben diesem Grund ist die Suche und das Erlangen von Wissen nicht nur ein Stück Empowerment, sondern kann zu  Unterdrückung, Verboten und eben „Herrschaftswissen“ führen, das eifersüchtig gehütet wird und nur einer Minderheit exklusiv verfügbar ist. Was das für  Wissenschaftler bedeutete und welche Rolle heute beispielsweise moderne Whistleblower spielen können, erzählt Ernst Peter Fischer in seinem Buch „Verbotenes Wissen.“

Der Untertitel „Geschichte einer Unterdrückung“ verrät es schon: In diesem Buch geht es vor allem, die für ihr Wissen viel riskierten. Dabei geht es um bekannte Beispiele wie der auf dem Scheiterhaufen verbrannte Giordano Bruno, oder Galileo Galilei. Dass die Rolle der Kirche bei der Unterdrückung von Wissen eine große Rolle spielt, kann da nicht überraschen. Fischer geht aber auch auf theologisch-biblische Hintergründe ein – war nicht bereits die Vertreibung aus dem Paradies die erste repressive  Konsequenz für erlangtes Wissen? Ist der Mensch nicht von Natur aus neugierig?

„Verbotenes Wissen“ ist auch ein Abriss von Wissenschaftsgeschichte, von der Rolle von Aufklärung, industrieller Revolution und Digitalisierung. Auch wenn der Schwerpunkt auf den Naturwissenschaften liegt, spielen auch geisteswissenschaftliche Aspekte eine Rolle – wie sieht es mit der Verantwortung des Wissenschaftlers aus? Hat die Wissenschaft mit dem Bau der Atombombe ihre Unschuld verloren?  Hätte manches ungesagt, unbeschrieben bleiben sollen? 
Für diese Überlegungen greift Fischer  auf die Literatur zurück, besonders Friedrich Dürrenmatts „Die Physiker“ kommt wiederholt zur Sprache . Doch darin heißt es bekanntlich auch: „Was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden.“

Um Macht, aber auch um Ethik geht es in dem Kapitel „Die Zumutung der Fakten“.  Denn die Suche nach Wissen und die Bereitschaft, dieses Wissen zu teilen und allgemein zugänglich zu machen, waren und sind durchaus zwei verschiedene Dinge, führt Fischer unter anderem mit Verweis auf Friedrich II. an. Der war bekanntlich den Ideen der Aufklärung zugetan – und schrieb zugleich „Der Pöbel verdient keine Aufklärung.“ Mancher Arzt hingegen steht vor dem Dilemma, ob einem Patienten  angesichts einer unheilbaren Krankheit das Wissen um seinen Zustand zugemutet werden kann oder ob Unwissen, zumindest für eine Weile, gnädiger sein könnte.

Je mehr sich Fischer dem 21. Jahrhundert nähert, desto intensiver geht es in seinem Buch auch um den drohenden Verlust des Privaten und Persönlichen, wenn in den sozialen Medien das eigene Leben ungefiltert geteilt wird, wenn sorglos mit den eigenen Daten umgegangen wird und Manipulation durch Fake News und Filterblasen zur Kehrseite der totalen Öffentlichkeit werden.  Womöglich, so folgert der Autor,  schaden ein paar Verbote und Geheimnisse in der heutigen Gesellschaft gar nicht, sind sogar wünschenswert.

Ernst Peter Fischer, Verbotenes Wissen. Geschichte einer Unterdrückung
Rowohlt-Verlag, Berlin 2019
Ca 350 Seiten,
ISBN 978-3-73710056-4

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