Dialog in der Provinz - "Goldene Jahre"

Wenig Handlung, viel dahinplätschernder Dialog - und gerade dadurch wird in Arno Camenischs gerade mal 100 Seiten umfassenden Roma "Goldene Jahre" ein Porträt Graubündener Provinz gezeichnet.  Seit dem Jahr der Mondlandung betreiben Margrit und Rosa-Maria  ihren Kiosk samt Zapfsäule, bilden einen der Dreh- und Angelpunkte ihres Dorfes und halten im Gespräch Rückschau auf 51 Jahre mit dem Verkauf von Heftlis, der Tour de Suisse als Highlight, den Amouren und Liebeskummer der Nachbarn.

Ein wenig ist "Goldene Jahre" auch ein Abgesang auf Jugend (obwohl sich Margrit und Rosa-Maria nun wirklich noch nicht zum alten Eisen zählen), dem Einbruch des wirtschaftlichen Erfolgs der  Zapfsäule, seit die Umgehungsstraße gebaut wurde und die durchreisenden Touristen nicht mehr am Kiosk die letzte Tankfüllung vor der Tankstraße holen.  Und auch die Winter waren früher ganz anders - mittlerweile wird der Nachbar mit der Schneefräse kaum noch gebraucht. Der Klimawandel lässt grüßen.

Eigentlich ist "Goldene Jahre" eines der Bücher, die vermutlich als Hörbuch besondere Wirkung entfalten - dann aber bitte vorgetragen von einem Schweizer Muttersprachler, denn mit rätoromanischen und schwyzerdütschen Einsprengseln geizt der Autor nicht. Der Verständlichkeit tut das keinen Abbruch, und Margrit und Rosa-Maria wirken dadurch authentischer.

Viel passiert nicht in diesem Buch, aber  die Erinnerungen von Margrit und Rosa-Marie lassen Erinnerungen wach werden an die Mode und Gewohnheiten der 80-er, an die Ereignisse von der Mondlandung über Tschernobyl bis zu den Promis, über deren Gewohnheiten die beiden Frauen gerne in den zum Verkauf stehenden Heftli lesen.  Nett zu lesen,  aber nicht unbedingt mein Buchpreis-Favorit.

Arno Camenisch, Goldene Jahre
Engeler Verlag, 2020
101 Seiten, 19 Euro
9783906050362

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