Der Bad Boy ist zurück: Kill `em all
Wer sagt, dass das Gute am Ende immer sieht, hat die Rechnung ohne Steven Stelfox gemacht. Der ehemalige Musikproduzent mit dem Riesenego, gleichermaßen geld- und schwanzfixierter Chauvi der Extraklasse war schon der Protagonist von John Nivens „Kill your friends“. Nun hat Niven seinen Bad Boy wieder ins Zentrum eines Romans mit bitterbösem Witz und einem sehr britischen Humor gestellt. In „Kill ´em all“ ist Stelfox älter und reicher, kokst und säuft nicht mehr und hat sich mit seinen 47 Jahren eigentlich bereits in den Ruhestand zurückgezogen und könnte sich eigentlich auf seinen Millionen ausruhen. Aber wann ist genug denn schon genügend?
Der Mann, der keine Freunde oder Beziehungen braucht und
dessen politisches Idol Donald Trump ist, kehrt für eine heikle Mission zurück
ins Musikgeschäft. Der befreundete Boss einer Plattenfirma – jedenfalls so weit
Egomane Stelfox überhaupt in der Lage ist, so etwas wie freundschaftliche
Gefühle zu entwickeln – hat ein Problem: Sein wichtigster Künstler, der Kaiser
des Pop, hat bedauerlicherweise eine Schwäche für kleine Jungen. Bisher wurde
höchstens in der Branche gemunkelt, jetzt aber wollen die Eltern eines der
Jungen 50 Millionen Dollar sehen- oder sie gehen zur Polizei.
Stelfox wäre nicht Stelfox, wenn seine Lösung als
Problemlöser nicht äußerst lukrativ wäre. Mit einer Doppelstrategie arbeitet er
zudem an einem Plan B, um auf jeden Fall seine Schäfchen aufs trockene zu
bringen. Die Erpresser – ein windiger Anwalt, ein mittelmäßiger Koksdealer und
seine Ehefrau – müssen ruhiggestellt werden, der pädophile Sänger zwecks
Schadensbregrenzung erst mal in der Versenkung verschwinden. Der posthume Erfolg von Rock ´n´Roll King
Elvis bringt Stelfox auf eine Idee, die auch ihn bei Erfolg in ganz neue
finanzielle Höhe heben könnte.
Doch der Sänger, der abgesehen von seinen bedauerlichen
sexuellen Vorlieben ein ziemlich durchgeknallter Typ auf dem Reifeniveau eines
Neunjährigen ist, erweist sich als noch
unberechenbarer als gedacht. Und auch
die anderen Player und Mitwisser lassen bei Stelfox die Erkenntnis reifen, dass
eventuell drastische Schritte nötig sind, um es doch noch zum Milliardär zu
schaffen.
Ein bitterböser Protagonist, mit einem ähnlich penetranten
Ego ausgestattet wie sein großes Vorbild Trump, ist Stelfox ein Typ, den man zu
hassen liebt. Nur die junge Texanerin Chrissy bringt so etwas wie seine weiche
Seite hervor. Mit einem völligen Mangel an Moral, selbstbewusst zelebrierter
Geldgier und absoluter Skrupellosigkeit lässte Niven seinen fiesen Macher zu
neuer Hochform auflaufen. Ob Fake News, Brexit oder Musik-Business – diese
bitterböse Satire lässt wenig Zeit zum Durchatmen bis zum explosiven Höhepunkt.
John Niven, Kill ´em all
Heyne 2019
384 Seiten, 10,99 Euro
978-3-453-67731-9
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