Karin Slaughters Serienfusion: Grant-County- und Will-Trent-Reihe in "Die verstummte Frau" vereint


Von Frauke Kaberka




Karin Slaughters neuester Thriller "Die verstummte Frau" führt einmal mehr in die Verbrechensszene Georgias, wo es Polizist Will Trent und seine Partnerin, die Rechtsmedizinerin Sara Linton, mit einer Serie von alten und neuen sadistischen Frauenmorden zu tun bekommen. Das Besondere: Slaughters Grant-County-Reihe fusioniert hier mit ihrer Will-Trent-Reihe 


Südstaaten-Flair, missbrauchte gequälte Opfer und ein sadistischer Killer - für  Karin Slaughter probate Zutaten ihrer literarischen Menüs. Doch ihr neuer Thriller  "Die verstummte Frau"  bietet noch Einiges mehr: Die US-amerikanische  Autorin hat dieses Mal ihre beiden erfolgreichen Serien  - die Grant-County- und die Will-Trent-Reihe  - in einem Georgia-Roman zusammengeführt, denn beide Reihen sind in dem US-Bundesstaat angesiedelt. Und nicht nur das: Die Gegenwart verschmilzt mit der Vergangenheit, samt alten und neuen Personen, Beziehungen und  Ereignissen.

Erwartungsgemäß stehen dabei die toughe Rechtsmedizinerin Sara Linton und der wortkarge Polizist Will Trent im Mittelpunkt. Beide sind seit einiger Zeit ein Paar. Doch der Schatten von Saras früherem Ehemann, dem ermordeten  Polizei-Chief Jeff Tolliver, verdunkelt die Beziehung - erst recht, als Trent es über Umwege mit einem Fall zu tun bekommt, der Tollivers Ermittlungen acht Jahre zuvor auf den Prüfstand stellt. 

Das Drama beginnt mit einer Frauenleiche im Wald. Auf den ersten Blick ein unglücklicher Sturz, ein Unfall. Was es natürlich nicht war. Zweifel an einer gewaltsamen Tötung werden mit der nächsten Frauenleiche ausgeräumt. Es verdichten sich Hinweise auf einen Mann, der vor acht Jahren schon verdächtig war, Frauen brutal vergewaltigt und ermordet zu haben. Was man ihm zwar nicht nachweisen konnte, ihn aber wegen anderer Delikte hinter Gitter steckte, wo er immer noch schmort. Er kann also - so die zwingende Erkenntnis - unmöglich der aktuelle Täter sein. Aber vielleicht doch vor acht Jahren?

Ausgerechnet dieser Mann ist es, der dem Ermittler Will Trent Hinweise auf einen Mord an einem Mitgefangenen und anderen kriminellen Ereignissen im Gefängnis geben will. Als Gegenleistung verlangt er eine neue Untersuchung der alten Tötungsdelikte, denn er möchte sich zu gern von dem Verdacht reinwaschen. Die letzten ermordeten Frauen im Wald, deren Anzahl sich bei weiteren Recherchen der Polizei noch beträchtlich erhöht, sollen Beweis seiner Unschuld sein. 

Trent hat mehr als Bauchschmerzen bei seinen Nachforschungen, denn es scheint so, als ob Tolliver damals als leitender Ermittler grobe Fehler beging. Vor allem aber muss Trent Sara informieren, die als Rechtsmedizinerin mit von der Partie ist - und auch schon vor acht Jahren war. Ein bereits wegen anderer Unstimmigkeiten schwelender Konflikt zwischen ihnen könnte dadurch verschärft werden. Aber eine Wahl hat Trent nicht. Und so stürzen sich beide in die Arbeit - sprachlos vor Kummer, Scham und Angst, den anderen zu verlieren. Was angesichts der Brutalität und Perversion der Frauenmorde noch eine andere Dimension erhält.

Die drastischen Bilder, die Slaughter malt, sind nüchtern und schockierend, medizinische Akribie und ermittlungstechnische Finesse ihre Stilmittel neben Spannung aufbauenden Perspektivwechseln. Das kennt man von der 1971 im Grant County geborenen und heute in Atlanta lebenden Autorin. Wie immer geht es ihr auch hier um die physische, vor allem aber psychische Verletzbarkeit von Frauen, um ihre Ängste, in einer moralinsauren Macho-Gesellschaft, die ihre Glaubwürdigkeit in Frage stellt, verachtet und geächtet zu werden. 

In einem klugen Konstrukt fließen Vergangenheit (Grant County) und Gegenwart (Atlanta) zusammen. Slaughter-Fans wird's gefallen, denn sie kennen die Konstellationen beider Serienstränge, die übrigens gerade fürs Fernsehen verfilmt werden. Aber auch Neueinsteiger dürften keine Mühe haben, dem ausgeklügelten Szenarium mit durchgehender Spannung und einem nicht gerade verblüffenden, so doch interessanten Ende zu folgen, das auf jeden Fall mehr oder weniger offene Cliffhanger für Fortsetzungen bereithält.

Parenthetisch war es auch vom Verlag HarperCollins ein cleverer Schachzug, im März dieses Jahres Karin Slaughters vor 19 Jahren geschriebenen Roman "Belladonna"  noch einmal neu aufzulegen. Denn damit begann die Grant-County-Reihe und auch die  Erfolgsgeschichte der mehrfach ausgezeichneten Autorin. Mit "Die verstummte Frau" wird sie ihre Bilanz von weltweit über 30 Millionen verkaufter Bücher in 32 Sprachen garantiert weiter aufstocken.

Karin Slaughter: Die verstummte Frau, HarperCollins Verlag, Hamburg
- 672 S., 24,00 Euro
- ISBN 978-3-9596-7533-8    

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