Wurzelsuche an Seen und Inseln

 Eine Buchhändlerin bringt man in der Regel nicht unbedingt mit Outdoor-Aktivitäten in Verbindung. Die Autorin und Buchhändlerin Louise Erdrich allerdings macht sich mit ihrer kleinen Tochter auf den Weg in die Seen- und Inselwelt des Ojobwe County im kanadisch-amerikanischen Grenzgebiet. Für Erdrich ist es auch eine spirituelle Reise zu ihren Wurzeln und denen ihre Tochter: Ihre Mutter war Ojibwe, der Vater ihres Kindes ist ein Ojibwe Medizinmann und fest verwurzelt in den Traditionen seines Volkes. Für Erdrich, die die Ojibwe-Sprache nur lückenhaft beherrscht und "weiß" aufgewachsen ist, ist die Reise daher auch eine Auseinandersetzung mit Bräuchen und Erzählungen, mit mündlicher Überlieferung und Felsmalereien, mit dem Ringen um den Erhalt der eigenen Identität, dem sie auf ihrer Reise immer wieder begegnet. 

Louise Erdrichs episodenhafte Erzählung berichtet von den Menschen, denen sie begegnet, streift auch die Auseinandersetzung mit der Politik der Vergangenheit, als indigene Kinder gewaltsam ihren Familien genomen und in kirchliche Internate gesteckt wurden, in denen Missbrauch und Gewalt an der Tagesordnung waren.

Allerdings gerät "von Büchern und Inseln" ein bißchen sehr zur Nabelschau der Autorin, geprägt vom Blick der stolzen (späten) Mutter auf ihr Kind, das selbstverständlich bei diesem Vater und familiären Erbe etwas ganz besonderes zu sein hat. Die Vertreter und Bewahrer von Ojibwe-Kultur geraten da eher zu Nebenfiguren, was schade ist. Meine erste Lese-Begegnung mit den Ojibwe waren die Bücher von Richard Wagamese - und verglichen mit ihrer wunderbaren Bildsprache und erzählerischen Wucht fällt "Von Inseln und Büchern" einfach deutlich ab. Wer nicht so einen Vergleich als Messlatte hat, kann Erdrichs mit 160 Seiten Länge eher schmal geratenes Buch womöglich mehr genießen - mir hat es nicht ganz gereicht.


Louise Erdrich, Von Büchern und Inseln 

Aufbau Verlag, 2021

160 Seiten, 12 Euro

978-3-7466-3863-8

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