Hosenanzug, Plüschpantoffeln und jede Menge Feinde - State of Terror

 Wenn eine ehemalige Außenministerin und Präsidentschaftskandidatin einen Politthriller schreibt, in dem es um Schurkenstaaten, arrogante Verbündete und einen unfähigen und populistischen Ex-Präsidenten geht, stellt sich automatisch die Frage: Wie viel von Hillary Rodham Clintons eigenen Erfahrungen und Erlebnissen ist hier eingeflossen? Die fiktive Handlung jedenfalls ist in ein Setting eingebettet, das irgendwie vertraut klingt - sei es der russische Präsident Ivanov als kalter Machtmensch mit Dominanzgehabe, der arrogante britische Premierminister mit elitärem Privatschul-Hintergrund oder der Ex-Präsident, der mit reichlich Goldprunk in Florida residiert und einen eigenen Golfplatz hat.

Hat sich Clinton gemeinsam mit ihrer Co-Autorin Louise Penny an alten Gegnern und politischen Narben abgearbeitet? Mag sein, dass das Schreiben einen gewissen therapeutischen Effekt hatte, mag sein, dass die ehrgeizige Politikerin das literarische Feld nicht allein dem Gatten überlassen wollte, der immerhin schon zwei Thriller veröffentlicht hatte: State of Terror ist jedenfalls ein solider und obendrein unterhaltsamer Politthriller, der bei aller Spannung auch eine Einladung an diejenigen ist, die es normalerweise bei der Spannung eher cozy mögen.

In State of Terror muss mal wieder das Land, ja die Welt gerettet werden. Drei Bomben explodieren - in Paris, London und Frankfurt. Niemand übernimmt die Verantwortung für die Taten, und doch sind sie sich zu ähnlich, um nicht in einem Zusammenhang zu stehen. Die Regierung steht unter Druck, allen voran die Außenministerin Ellen Adams, die beim Präsidenten als einstigem Konkurrenten einen schweren Stand hat. Nicht nur, weil sie als Chefdiplomatin Informationen herbeischaffen muss, ihr zum Islan konvertierter Sohn steht plötzlich im Verdacht, etwas über die Anschläge zu wissen.

Eine junge Mitarbeiterin im Außenministerium entschlüsselt eine Email, die sie kurz vor den Anschlägen erhalten hatte und die ihr Vorgesetzter für Spam hielt. Die intelligente junge Frau hat zwar den richtigen Riecher, sieht sich aber samt ihrer Familie plözlich selbst unter Generalverdacht: Der Vater stammt aus dem Iran und der Onkel, den sie nie kennengelernt hatte, steckt hinter dem iranischen Atomprogramm. Der Druck steigt, als klar wird - es gibt noch eine weitere Bombe, in den USA.

In guter alter Thriller-Tradition entwickelt sich die Suche nach Informationen zu Bombe, ihrem Versteck und den Hintermännern zu einem Wettlauf gegen die Zeit. Krisengespräche und geheime Diplomatie mit alten Feinden und zweifelnden Verbündeten, gegen das wachsende Misstrauen des Präsidenten und mit dem zunehmenden Verdacht, dass auch im Weißen Haus faules Spiel getrieben wird - Ellen Adams wird mächtig gefordert und hat selten Zeit, den Hosenanzug bügeln zu lassen oder auch nur zu wechseln.

Wie gut, dass sie angesichts der Intrigen im Weißen Haus auch Verbündete hat - allen voran ihre beste Freundin, die sie als persönliche Beraterin mit ins Außenministerium genommen hat und die als Frau in gewissem Alter und ohne Verbindungen in die politische Elite gnadenlos unterschätzt wird. Und auch ihre Tochter, die nach dem Wechsel der Mutter in die Regierung den Nachrichtensender übernommen hat, der bislang das Familiengeschäft war. Als neuestes und viertes Mitglied des Quartetts wird sich die junge Mitarbeiterin erweisen, die den entscheidenden Hinweis auf den Zusammenhang der Anschläge geliefert hat.

So ist "State of Terror" nicht nur ein spannender Thriller, sondern auch ein Loblied auf Frauen-Solidarität und Freundschaft in einer Welt, in der Ehrgeiz und Kalkül überwiegen. Dass Frauen, insbesondere Frauen jenseits der Wechseljahre, entweder unterschätzt oder angefeindet werden, dass ihr Äußeres  auf eine Art beachtet und kommentiert wird, wie es Männern in gleicher Position nie passiert - das sind sicherlich auch persönliche Erfahrungen, die hier verarbeitet werden.  Auch antimuslimischer Rassismus wird nicht ausgeklammert, die Veränderungen der US-Gesellschaft seit dem 11. September und das Nachwirken des Populismus des Ex-Präsidenten.

Wie schön, wenn dann nach einem anstrengenden Tag internationaler Diplomatie und Rettung der Welt  Hosenanzug und Spandex-Unterwäsche dann doch Jogginganzug und Plüschpantoffeln weichen können und auch Außenministerinnen mit der besten Freundin und einem Chardonay auf dem Sofa abhängen können. State of Terror ist spannend, unterhaltsam und mit Sinn  für Ironie geschrieben. 


Hillary Rodham Clinton, Louise Penny, State of Terror

Harper Collins 2021

560 Seiten, 24 Euro

  • ISBN-13: 9783749903184


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