Innenblick auf den BND - Mister Hizballah erzählt

 Dass James Bond ein reines Phantasieprodukt ist und Spione ein ganz anderes Leben haben als der Leinwandheld mit der Lizenz zum Töten - das ist wohl auch den Fans des Genres klar.  Mit seinem Buch "Keine Lizenz zum Töten" räumt Gerhard Conrad mit den gängigen Klischees über das Leben in mehr oder weniger geheimer Mission auf. Der Mann weiß, wovon er spricht - schließlich war er jahrelang Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) und hatte hohe Positionen im Nachrichtenwesen auch auf europäischer Ebene inne.

Damit ist schon mal klar: Alles, was Conrad in dem Buch über sein Agentenleben berichtet, ist vermutlich stark gefiltert und schildert nur Fälle, die ohnehin bereits öffentlich bekannt sind oder die zumindest nicht mehr als Staatsgeheimnis  gelten. Diskretion als oberstes Gebot eines Nachrichtendienstlers endet schließlich nicht mit dem Eintritt in den Ruhestand.

Der Politik- und Islamwissenschaftler Conrad war gewissermaßen zur richtigen Zeit am richtigen Ort, als er in den 90-er Jahren beim BND anfing. Da war der Kalte Krieg schon weitgehend abgewickelt, Kremlinologen saßen auf ihrem plötzlich kaum noch gefragten Wissen, doch die Krisen im Nahen Osten blieben - und spätestens am 11. September 2001 war dann jedem klar, dass das Thema Bedrohung durch islamistischen Terrorismus auch die Nachrichtendienste auf Jahre beschäftigen würde.

Conrad hatte auch insofern Glück, als er gleich zu Beginn seiner Laufbahn Teil eines Verhandlungsteams war, dass für Israel und die Hizbollah im Libanom einen Gefangenenaustausch vermittelte. Wie es so ist, wenn zwei Erzfeinde nicht miteinander reden wollen, ein Dialog aber in beiderseitigem Interesse liegt, um etwas zu erreichen.  Und auch später kam es zu ähnlichen Verhandlungen, an denen er dabei als Verantwortlicher an den Gesprächsfäden zog.

Dieser Teil des Buches ist wirklich interessant, verschafft er doch eine Ahnung von der aufwändien Logistik, um Gespräche zu führen, von denen niemand etwas wissen darf - einschließlich des Bemühens der Unterhändler, nirgends aufzufallen. Wer sich für den Nahost-Konflikt interessiert, findet hier eine Innensicht, die nicht unspannend wird. Zugleich wird deutlich, wie langwierig die Nachrichtenarbeit angelegt ist und wie bürokratisch es dabei zu geht. Zumindest in Deutschland. Dass Conrad häufig ein ziemlich offiziöses Juristendeutsch schreibt, passt da irgendwie rein, macht den Text aber nicht unbedingt lesefreundlicher.

Einiges verrät "Mister Hizbollah", wie Conrad wegen seiner guten Kontakte genannt wurde, dann doch, etwa die Herkunft des berühmten Kürzels "007". Gibt´s beim BND übrigens ebenso wenig wie eine Lizenz zum  Töten. Dass es nicht immer so gesittet zugeht wie bei den Gesprächen, die Conrad beschreibt, dürfte dennoch zu vermuten sein. Schließlich war der BND-Mann auch als "Resident", also örtlicher Vertreter des Dienstes etwa im Libanon oder in Syrien nicht undercover unterwegs, sondern in offizieller Mission, mit diplomatischem Status.  Dass  Agenten auch noch deutlich klandestinere Einsatzbedingungen haben - über die hier nichts näheres berichtet wird - wird dabei nur angedeutet. Dabei wäre das Thema sicher spannend. Aber da ist dann doch die Diskretion des erfahrenen Nachrichtendienstlers vor jedem Enthüllungstext.

Fazit: Erhellt nur so viel, wie der Autor für richtig hält. Wer Action sucht, sollte lieber zu einem Spionagethriller greifen. Als Hintergrund zum Thema Sicherheitsdiesnte und internationale Politik durchaus informativ.


Gerhard Conrad, Martin Specht, Keine Lizenz zum Töten. 30 Jahre als BND-Mann und Geheimdiplomat

Ullstein 2022

320 Seiten, 20,99 Euro

 9783843728225

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