Düstere Zukunftsvision aus der Heißzeit

 Kann ein Buch, dass nur gut sechs Jahre in der Zukunft spielt, ein Science Fiction Roman oder eine Dystopie sein? Das habe ich mich gelegentlich beim Lesen von Philippe Djians Buch "Ein heißes Jahr" gefragt.  Djian spitzt zu, was schon heute absehbar ist, auch wenn die wissenschaftlichen Prognosen für das Jahr 2030 denn doch noch nicht jene Klimabedingungen sehen, die das Leben seinen Protagonisten Greg prägen: Die schon erwähnte Hitze, eine grausame Sonne, aber auch Starkregen und Stürme, kurz, es ist anstrengend und eher ungesund, auf dem aufgeheizten Planeten zu leben.

Greg ist ein Mann Mitte 30, der nach einer privaten Tragödie bei seiner Schwester und deren Familie lebt. Sein Schwager, der zweite Ehemann der Schwester, ist zugleich Freund und Geschäftspartner in einem pharmakologischen Labor, das wegen eines gesundheitsschädlichen Produkts eigentlich Ärger bekommen müsste. Die jüngere Nichte ist in der Klimabewegung aktiv, freundet sich mit einer engagierten Verlegerin an und wird mit ihrem Protest zunehmend radikaler.

Greg will anfangs nur im Familieninteresse Schadensbegrenzung versuchen, doch die Lektüre eines Buches über eine gewisse bezopfte Umweltaktivistin, die im Alter von 15 Jahren weltbekannt wurde, bleibt nicht ohne Einfluss auf ihn. Hinzu kommt das erotische Interesse an der Verlegerin.

Der Titel "ein heißes Jahr" ist doppeldeutig, denn es geht nicht nur um den bereits stattgefundenen Klimawandel, sondern auch um das verschärfte gesellschaftliche und politische Klima. Auch hier spitzt Djian vieles zu, was heute schon absehbar scheint, keinesfalls aber als Negativutopie. Es ist eine unbequeme, unangenehme, überhitzte Zukunftsvision voller Kontroversen und dem Wunsch nach Flucht - doch wohin fliehen, wenn die Erde zunehmend zum lebensfeindlichen Ort wird? Es gibt viele Zwischentöne, Greg selbst ist eine Figur voller Widersprüche, einerseits ein Opportunist, der von Verschweigen, Verleugnen und Lügen profitiert, andererseits einer, der den Widerstand versucht. Dass er dennoch - nicht zuletzt dank seiner Privilegien - noch einen Verbrenner-Porsche fährt, sieht er dabei nicht als Widerspruch.

Sprachlich hat mir das Buch sehr gut gefallen, Djian findet Worte, die Apokalypse und Poesie verbinden. Das kann verstörend sein, ist aber auf jeden Fall beeindruckend.


Philippe Djian, Ein heißes Jahr

Diogenes 2023

240 Seiten, 24 Euro

  978-3-257-07249-5

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