Die Sehnsucht nach der Wildnis

 Es gibt Bücher, die sind ebenso lehrreich wie unterhaltsam. Robert MacFarlane´s  "Karte der Wildnis" gehört für mich auf jeden Fall dazu.  Angetrieben von der Sehnsucht nach den letzten verbliebenen Gebieten von Wildnis in einem von Industrialisierung und intensiver Landwirtschaft geprägten Großbritannien, macht er sich auf die Suche - in Mooren und Tälen, auf Bergen und and der Küste, von Wales über Schottland nach Irland.

Mac Farlane legt keinen Wert auf Bequemlichkeit, biwakiert auch bei Frosttemperaturen, Schneefall und Regensturm im Freien. Der Lohn dafür sind immer wieder Sternennächte ohne Lichtverschmutzung, Tierbeobachtungen, Stille und Momente voller Freude, aber auch Ängste und Respekt vor der Macht der Natur.

In seiner Karte der Wildnis, die im Gegensatz zum Autoatlas eher an die gesungenen Traumkarten indigener Völker erinnert, stellt sich MacFarlane ganz bewusst in die Tradition derjenigen, die an den beschriebenen Orten, aber auch überall auf der Welt im Laufe der Jahrhundert die Begegnung mit ursprünglicher Natur gesucht haben. So ist das Buch auch ein Nachdenken über Geschichte und Kultur, über die Mönche und Einsiedler, die bewusst solche Orte der Stille gesucht haben.  Andere Landschaften sind von Entvölkerung durch Gewalt und Elend geprägt, etwa im schottischen Hochland oder im irischen Burren, in dem verlassene und verfallene Dörfer die verbliebenen Spuren der großen Hungersnot im 19. Jahrhundert sind.

MacFarlane beschreibt Begegnungen mit Förstern und Naturfreunden, zitiert Philosophen, Gelehrte, Naturforscher. Seine Begeisterung für die Natur ist ansteckend.  Seine Erkenntnis, dass man manchmal gar nicht so weit und in so herausfordernde und unwirtliche Landschaften gehen muss, um zu beobachten, wie wilde Natur sich kleine Reservoire zurückerobert, ist eine Einladung, neugierig zu sein, genau hinzuschauen und zu staunen.


Robert MacFarlane, Karte der Wildnis

Ullstein 2024

304 Seiten, 16, 99

9783548068527

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